Poetische Suche nach dem Wesen des Seins
Jean-Gabriell Causse ist im "wahren Leben" Farbendesigner. Und so ist
dieses Romandebüt inhaltlich nur konsequent ausgestaltet, denn es geht um
Farben, Vielmehr darum, was bei einem "Mangel an Farben" dem Leben
verloren geht. Eine Analogie auf das, was in den letzten Jahren und Jahrzehnten
sich als "Moderne" herausgeschält hat. Eine poetische Betrachtung des
verloren gehenden "Inneren" zugunsten eines "stromlinienförmig
durch das Leben hetzen". Wie eben auch seine Hauptfigur, Arthur, zu Zeiten
mal ziemlich "oben" in diesen Abläufen, inzwischen nicht nur
"zur Seite geschoben wurde", was das erfolgreiche Berufsleben angeht,
sondern auch sich selbst mehr und mehr verloren geht.
""Ich sollte mit dem Trinken aufhören", denkt Arthur, und winkt
dem Kellner für das nächste Bier".
Was ihn noch hält, sind zu Anfang noch zwei Dinge. Seine (unterbezahlte) Arbeit
in einer Buntstiftfabrik und seine Nachbarin von gegenüber, Charlotte, die er
immer wieder aus dem Fenster heraus in ihrer Wohnung beobachtet. Die blinde
Charlotte. Die aber keineswegs jemand ist, der sich nicht zu helfen wüsste. Die
ihre kleine Tochter wunderbar im aufwachsen begleitet und die so ihre
Möglichkeiten hat, auch ohne Sehkraft, zu merken, wenn ihr einer "auf die
Pelle rückt".
Könnte es sein, dass Arthur in einem Anfall von Ärger für das zuständig ist,
was nun auf der Welt passiert? Das ihm die drohende Insolvenz der Farbstiftfirma
und die schon herumtanzenden "Heuschrecken", bereit zur Plünderung
der Wertgegenstände des alten Familienbetriebes zu einer unbedachten Handlung
führt? Oder, auf höherer Ebene des Romans betrachtet, ist es das
"Graue" der Menschen, was dazu führt, dass innerhalb kürzester Zeit
weltweit dem Leben die Farben entschwinden und die Welt sich in einem
"schwarz-weiß Film" wiederfindet?
Mit Folgen, die den Nerv der Zeit treffen und die Causse, neben seiner
Hauptgeschichte um die mögliche-unmögliche Liebe zwischen Arthur und Charlotte
mit all ihren Irrungen und Wendungen herum, wunderbar wie nebenbei dem Leser ins
Herz pflanzt. Wie plötzlich der Konsum einbricht und damit drastisch klar wird,
dass dieser nur auf einer Welt der "bunten Bilder" beruht. Die Hermes
Tasche, die nun grau in grau völlig verwaschen und einfach hässlich aussieht.
Die opulenten Gewänder der religiösen Vereinigungen. Die Online beworbenen
Produkte, nun aller Farbenpracht beraubt.
Die Welt in Verwirrung, keine Frage. Und zugleich setzt Causse eben mit der
blinden Charlotte, dem eh alles düster sehenden Arthur und mit Charlottes
Vater, einem rüstigen Pensionär in einem ganz besonderen Altersheim (das fast
einen eigenen Roman wert wäre) wiederum "Farbtupfer", Zeichen einer
anderen inneren Einstellung, die bei diesen Personen eben nicht verloren geht
und Lebensfreude auch in einer grauen Welt sich nicht nehmen lassen wird.
Dass im Lauf der Jahrzehnte die ehemalige Lust an den Farben (was Kleidung,
Lackierungen von Automobilen und vielem mehr) angeht einem strikten und eher
uniformierten schwarz und grau in allen Richtungen bereits gewichen ist, auch
dies lässt Causse, wunderbar nebenbei mitlaufend, in die Ereignisse des Romans
mit einfließen. In einer bestens gesetzten, fließenden, poetischen
Erzählweise, die von großem Sprachschatz und dennoch von einfacher Form
gekennzeichnet ist.
Fazit
Ein, im wahrsten Sinne des Wortes, wunderbarer und berührender Roman, der das
gegenwärtige Leben in ganz anderen "Farben" lebendig werden lässt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 02. Mai 2018 2018-05-02 10:33:18