Intim eingebundene Lebensgeschichte
Karl Marx ist in vieler Munde im letzten und auch noch in diesem Jahr. Leben,
Werk, Werdegang, der Einsatz für die "Internationale", all das in
mannigfaltiger Form biographisch und Werk-betrachtend aktuell erschienen und zu
lesen. Ereignisse und Kernmomente des Lebens, welche nun die beiden Geschwister
Claudia und Nadja Beinert auf sehr fundiertem Hintergrund in einer
"Liebes-Roman-Form" vorlegen, mit der es gelingt, Person und
Privatleben des Denkers noch einmal aus anderer, näherer Perspektive
nachzuvollziehen. Lena (Lenchen) Demuth gelangt als Dienstmädchen, eigentlich
am Ende als "zusätzliches" Familienmitglied in die Familie Marx und
erlebt alle Höhen und Tiefen, Hoffnungen und Desillusionierungen, vor allem die
ständige Armut in der Familie, hautnah kennen und "managen".
Nebenbei schärft sie Ihre Kompetenzen für das Schachspiel mit Karl Marx und
nicht nur das. Auch andere Grenzen zwischen "Dienstherr" und
"Dienstmädchen" werden überschritten, was durchaus zu Belastungen
der Beziehungen im Hause Marx führen wird und Folgen nach sich zieht, die
Lenchen menschlich nicht unbedingt im besten Licht erscheinen lassen werden. Wie
vor allem aber die Zeitgeschichte in Romanform eingegossen wird, wie
atmosphärisch dicht die Zwillinge unter anderem jene Zeit der
"Hausdurchsuchungen" in Belgien, der Verfolgung, der Ruhelosigkeit,
der Heimatsuche, immer wieder auch die Hoffnung auf ein Auskommen und der
Verlust desselbigen wieder, das liest sich sehr flüssig und anregend.
"Während einer Revolution schliefen die Menschen nicht, sie versammelten
sich und beschworen in den Nächten den zukünftigen Sieg herauf".
Was Marx mit gemischten Gefühlen betrachtet, denn zu seiner Zeit schwelte, vor
allem, die bürgerliche Revolution, nicht die der Arbeiterschaft. Höhen und
Tiefen, die sich auch ins Privatleben niederschlagen, bei denen Jenny, Marx Frau
und Lenchen gemeinsam ein um das andere Mal "Szenen" aufführen, um
bei Hausdurchsuchungen dem Vorstand der Familie Gelegenheit zu verschaffen,
belastende Papiere schnellstmöglich außer Reichweite zu verstecken. Gepaart
mit der privaten Dramatik der Eheleute Marx, was den Tod mehrerer Kinder angeht,
vor allem später dann des geliebten Sohnes Musch. Ein Tod, der Marx fast aller
gestalterischen Kräfte beraubte.
"Früher war das Schreiben für ihn wie Atmen gewesen..."
Eindrucksvoll schildern die Autorinnen die Szene am Grab, in dem Marx nur mit
stützender Hilfe davor bewahrt wird, mit in die Grube hinein zu sinken.
Andererseits hat der Leser für diese durchaus vielzähligen Einblicke in das
private Leben des Karl Marx auch die ein oder andere Länge im Roman zu
überstehen, Phasen der eher äußeren Betrachtung des Autoren und seines engen
Freundes Engels, sowie der Entwicklung Lenchens als Person im Lauf der Jahre.
Wofür ein stückweit das ausführliche Nachwort entschuldigt, in dem die
historischen Fakten gebündelt vorgetragen und viele der im Roman erzählten
Vorgänge komprimiert in ihren historischen Bezügen noch einmal dargelegt
werden.
Fazit
Eine andere, durchaus frische Variante, sich Karl Marx in Person vor allem zu
nähern.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 19. April 2018 2018-04-19 16:36:07