Aufruf zur individuellen "Lebensreise"
In einer Welt, in der zunehmen alles genormt und auf Effizienz getrimmt scheint,
in der in Frankreich überlegt wird, Kinder mit drei Jahren bereits einzuschulen
und in der Studiengänge moderner Prägung mit einem "Studieren" von
Fach und Leben nur mehr wenig zu tun haben, in einer solchen Welt anders sein zu
wollen ist kein einfaches Unterfangen. Aber, und das drückt Matthew Quick
erkennbar pädagogisch und mit zarter, treffender Sprache in der Geschichte um
seine, eigentlich bestens "eingestielte", Protagonistin Nanette
wunderbar aus. Eine, die "oben mitschwimmt", immer unter en Besten,
das alles nie hinterfragend. Und nun, durch eine Lektüre und einen Jungen Ihres
Alters, in ihren Grundfesten zu erbeben scheint.
Wobei Quick bestens mit der Umdrehung der Frage eigentlich des Alterns,
"Kann das schon alles gewesen sein" spielt und aus Nanettes Sicht die
Frage Seite für Seite unverhüllter in den Raum treten lässt: "Soll das
alles sein, was auf mich zukommt? Klaglos zu funktionieren?". Nach der
Lektüre des Buches eines in der Gegenwart vergessenen Autors, der sich auch
seit Jahren weigert, dieses Werk noch einmal neu auflegen zu lassen, nach der
inneren Unruhe, die ob des offenen Endes in Nanette entsteht, wird ihr eine
Begegnung mit dem Autor vermittelt.
"Oh, ich will dir lieber nicht zu viel verraten. Du musst ihn schon selber
treffen. Das ist definitiv eine interessante Erfahrung".
Ein Satz, der im Buch auf den Autor bezogen ist, der aber durchaus auch direkt
auf das Buch bezogen werden kann. Seinen eigenen Weg finden, seine eigenen
Erfahrungen machen und dazu erst mal testen, ausbrechen, alles anders machen als
die anderen, dass ist, der Intention Quicks folgend, was an der "Schwelle
zum Erwachsenwerden" eigentlich ansteht. Wie das aber geht, denn nur in
einfacher "Verneinung" stehen zu bleiben, ist ja euch kein eigener,
aktiver Weg, sondern nur eine reaktive Wendung auf das, was die anderen
erwarten, das ist nicht so einfach für Nanette und ihren neuen Begleiter, Alex.
Empathisch fühlt sich Mathew Quick in diese konkrete Lebensphase "zwischen
den Stühlen" von Kindheit zur erwachsenen Welt ein. Und vermag es gut, die
Verwirrungen dieser Lebensphase kontrastreich zu schildern. Denn es gehört
dazu, und das liest sich aus diesem Werk sehr organisch heraus, dass man sich
und die Welt um sich herum in Frage zu stellen hat.
"Macht Dir das alles Spaß"? ist die wichtige Frage an Nanette, die
alles ins Rollen bringen wird.
Ein Entwicklungsroman, der weitgehend sprachlich gut zu lesen ist, flüssig die
Geschichte voranbringt, aber auch mit Brüchen aufwartet. Die, inhaltlich, Sinn
ergeben mögen, den Lesefluss aber auch stören im zweiten Teil des Werkes. Dass
die wichtigen Fragen nach dem, was man wirklich selber will, in den Raum stellt.
Mit der Aufforderung versehen, die Antwort je selbst zu finden. Es muss ja nicht
im Kampf für eine Schildkröte sein, es finden sich viele Gelegenheiten in
diesem Lebensalter. Wenigstens auf Zeit "auszusteigen", bis man weiß,
wo genau man "einsteigen" möchte.
Fazit
Eine anregende Lektüre mit kleineren Irritationen für den Leser versehen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 19. April 2018 2018-04-19 16:32:49