Das Buch, im Sommer 1982 erschienen, ist mittlerweile ein Klassiker. Angeregt
durch die kurze Caesar-Biographie von Martin Jehne habe ich beschlossen, diesen
Klassiker endlich einmal ausführlich zu lesen. Meier beleuchtet auf 600 Seiten
den politischen Aufstieg des "Außenseiters" Caesar. Caesar, ein
Gegner des Feldherrn und Diktators Sulla, ist eine Person, die nur in der Krise
der römischen Republik nach den Aufständen der Gracchen im Jahr 133 v. Chr.
vorstellbar war. Meier arbeitet - wie zuvor Karl Christ - die Gründe der Krise
der römischen Republik heraus. Hauptsächlich bestand sie darin, dass die
römische Republik, genauer gesagt, die römische Oligarchie, die
Herausforderungen, die Roms Stellung als Weltmacht bedingte, nicht bewältigen
konnte. Die Feldzüge zur Sicherung des Imperiums erforderte eine Miliz- bzw.
Berufsarmee und gab daher dem Feldherren, der als "Belohnung" für
seine Truppen Land forderte, dem "Imperator", eine Bedeutung, die er
in der alten Republik nicht hatte. Hier folgt Meier seinem Vorbild Matthias
Gelzer, dessen Caesar-Biographie von 1921 heute noch als Standardwerk der
Forschung galt.
Neu an Meiers Darstellung ist die Auffassung, zur Krise der Republik habe es
"keine Alternative" gegeben. Meier meint damit, dass die Republik de
facto schon tot war, die Alternative aber nicht in Sicht war. In jedem Fall
wurde das Regieren schwieriger, die Republik geriet in immer schwierigeres
Fahrwasser. Zwar gab es namhafte Verteidiger dieser Staatsform, wie Cato den
Jüngeren und Cicero, der 63 v. Chr., zum Zeitpunkt der Verschwörung des
Catilina, auf dem Höhepunkt seiner Macht stand. Ob Caesar, als Sulla-Gegner den
Popularen zuneigend, Catilina unterstützt hat, ist ungeklärt. Offen hat er es
wenigstens nicht getan. Schon sehr früh zeigte Caesar Aktivität und
Initiative, etwa, als er auf eigene Faust als junger 23-jähriger Seeräuber,
die ihn gekidnappt hatten, nach seiner Freilassung durch sie verfolgt und
besiegt hatte.
Caesar wollte die Krise der Republik durch entschiedene Maßnahmen, etwa eines
Getreidegesetzes, lösen und verband sich daher mit Pompeius und Crassus. 59 v.
Chr. zum Konsul gewählt, wurde er jedoch von seinem den Optimaten nahestehenden
Mitkonsul Bibulus ausgegrenzt. Doch Caesar ignorierte das Veto von Bibulus und
setzte seine Maßnahmen ohne Rücksicht auf das politische System mit Hilfe
ergebener Anhänger im Volkstribunat durch. Für diese Mißachtung des
politischen Systems sollte er zur Rechenschaft gezogen werden und hätte nach
Ende seiner Amtszeit nicht nur einen Haufen Schulden gehabt, sondern auch
zahlreiche Prozesse zu überstehen. Doch er wurde Prokonsul von Gallien und
konnte sich für 10 Jahre dieses Kommando sichern, wobei er Gallien unterwarf
und eine unvorstellbare Zahl von Toten hinterließ. Seine Kriegsführung stand
nicht mit den Prinzipien der römischen Machteroberung in Einklang, seine Gegner
wollten ihn deshalb anklagen.
Um dieser Anklage und seinem politischen Sturz in die Bedeutungslosigkeit zu
entgehen, um seine "dignitas", seine Würde zu retten, wie Caesar
selber sagte, führte er den Bürgerkrieg gegen den Senat und den mittlerweile
mit dem Senat verbündeten Gegenspieler Pompeius. Dank seiner militärischen
Fähigkeiten siegte er im Bürgerkrieg und ließ sich zum Diktator, 44 v. Chr.
auch zum "Dictator perpetuus", dem Diktator auf Lebenszeit ernennen.
Darin sahen auch frühere Anhänger eine Bedrohung der republikanischen
Staatsform und schritten zum Staatsstreich an den Iden des März 44 v. Chr. Sie
betrachteten Caesar als Tyrann und ermordeten ihn.
Letztlich zeigte sich jedoch, dass die Republik nicht zu retten war. Caesar
Adoptivsohn Oktavian, zum Zeitpunkt von Caesars Ermordung erst 18 Jahre alt,
siege im Jahrzehntelangen Bürgerkrieg durch die Schlacht von Actium 31 v. Chr.
und wurde Alleinherrscher - seine Absichten durch scheinbare Teilhabe des Senats
an den Regierungsgeschäften klug verhüllend.
War Caesar nun groß? Meier bejaht - im Gegensatz zu Jehne - diese Frage. Caesar
sei ohne Frage eine große Figur in seiner Zeit gewesen. Und genau da setzt
meine Kritik an. Natürlich kann man auch politische Verbrecher, etwa Hitler und
Stalin, groß nennen, in dem sinne, als sie über überragende Fähigkeiten
verfügten, die sie ihren Mitkonkurrenten überlegen machten. Dann ist Größe
ein neutraler Begriff, der Verbrecher und Mörder ebenso "groß" zu
nennen wie derjenige, der sein Land vorangebracht und Gutes für sein Land getan
hat.
Wenn Meier dies so differenzierend erläutert hätte, dann könnte ich mit
seiner Einschätzung noch leben. Was aber an seiner umfangreichen, durch
zahlreiche Wiederholungen aber nicht immer durch neue Erkenntnisse bestechenden,
Biographie nicht deutlich wird, ist der fatale Kreislauf, den Martin Jehne in
seiner kurzen Caesar-Biographie erläutert hat: Caesar hat aus rein egoistischen
Gründen, zur Verhinderung seines politischen Sturzes, nicht etwa um seiner
"dignitas" wegen, den Bürgerkrieg begonnen und er hat die grausamen
Feldzüge in Gallien allein aus innenpolitischen Motiven geführt: er fürchtete
Prozess und politischen Absturz. Außerdem hatte er - wie viele Politiker zu
jener Zeit - enorme Schulden machen müssen, um seinen politischen Aufstieg zu
finanzieren. Ohne Ausplünderung seiner Provinzen hätte er niemals diese
Schulden "abzahlen" können. Eine Provinz zu zerstören, nach heutigen
Schätzungen Millionen Tote zu riskieren, um ein Land zu unterwerfen, aus rein
egoistischen Motiven heraus, dies ist das Einmalige und Verbrecherische an
Caesar. Diese Zusammenhänge hat Martin Jehne, in Grenzen auch Werner Dahlheim,
herausgearbeitet.
Insofern ist die Meiersche Biographie, auch wenn sie Caesar als Produkt und z.T.
Getriebenen in seiner Zeit sieht und so einordnen möchte, letztlich
apologetisch. Bei der - sachlich nüchternen, an Quellen orientierten,
Biographie des Meier-Vorbildes Matthias Gelzer ist dies nachvollziehbar, 1921
war einfach eine andere Zeit. 1982 und später hätte ich aber doch gerne eine
kritischere Einordnung Caesars gewünscht, zumal ich mit dem Konzept politischer
"Größe" von zweifelhaften Staatsführern, die eigentlich Verbrecher
waren, starke Probleme habe.
Insofern ist es wesentlich erhellender, Jehnes kurze, bei Beck Wissen
erschienene, Biographie zu lesen. Außerdem endet Meiers Werk relativ aprupt mit
Caesars Ermordung ohne auf die Konsequenzen, das Ende der Republik, einzugehen.
Meisterhaft jedoch sind die psychologischen Portraits, die Meier von den
"Großen" der Epoche zeichnet, doch diese unbestreitbare
Meisterleistung reicht m.E. nicht, der Biographie einen wirklichen, d.h. über
bisherige Erkenntnisse hinausgehenden, Informationswert zuzuschreiben, wie man
es bei Jehne tun kann. Kurz und knapp: Wer Jehnes Werk gelesen hat, weiß alles
Relevante über Caesar, was man wissen muss. Dies gilt - trotz seiner
Apologetik, in gewissen Grenzen auch für Gelzers Werk, wobei bei letzterem v.a.
das erste Kapitel über die römische Nobilität zu seiner Zeit bahnbrechend war
und bis heute Stand der Forschung geblieben ist.
Fazit
Fazit: als Ergänzung zu Jehne durchaus interessant und stilistisch sicherlich
sehr gut geschrieben, aber letztlich weniger informativ als Jehnes Werk. Für
Caesar-Interessierte dennoch unverzichtbar. Zusätzlich sollte Karl Christs:
"Krise und Untergang der römischen Republik" und sein "Caesar:
Annäherung an einen Diktator" für Seminare oder Vorträge zu Rate gezogen
werden, ebenso E. Baltschruschs: Caesar: Wege der Forschung aus dem Jahre 2007.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 24. Januar 2011 2011-01-24 23:14:09