Guido Knopp hat im vorliegenden Buch - basierend auf zahlreicher
Forschungsliteratur und vielen Zeitzeugen, die er für seine gleichnamige
ZDF-Dokumentation befragt hat, eine hervorragende Einführung in diese Thematik
vorgelegt, die - wie bei Knopp generell - Schwerpunkte auf die Betrachtung der
Personen legt, die für den SS-Staat (Eugen Kogon) verantwortlich gewesen sind:
Himmler und Heydrich. Das Portrait dieser beiden Personen - zum Teil angelehnt
an die hervorragende Studie von Joachim Fest "Das Gesicht des Dritten
Reiches" - ist erschütternd, da es zeigt, wie diese beiden
"Bürokraten" kaltblütig mordeten und ihre Wahnideen umsetzten. Knopp
untersucht - mit weiteren Zeithistorikern - zunächst ausführlich den
sogenannten "Röhm-Putsch", die Bartholomäus-Nacht des Regimes. Aus
dieser gingen Himmler und Heydrich als eindeutige Sieger hervor. Außerdem
wertet er bislang unbekannte Informationen über die Totenkopfverbände und die
Waffen-SS aus. In Anlehnung an Christopher Brownings: "Ganz normale
Männer" belegt Knopp in beeindruckender Weise, dass in der Tat - wie er in
der Einleitung betont - "jeder hätte Täter werden können." Auf S.
201, dem Beginn des "Totenkopf-Kapitels" zitiert er Karl Stoja, ein
Ausschwitz-Opfer: "Nicht Hitler, Göring, Goebbels, Himmler und wie sie
alle hießen haben mich verschleppt und geschlagen. Nein, es war der Schuster,
der Nachbar, der Milchmann. Und dann haben sie eine Uniform bekommen, eine Binde
bekommen und eine Haube, und dann waren sie die Herrenrasse." Knopp zeigt
deutlich die Täterschaft und Verstrickung der SS in den Holocaust (vgl. auch
seine diesbezügliche - ebenfalls sehr gute - Information). Gut finde ich, dass
Knopp in dem Kapitel "Mythos Odessa" auch auf die Schicksale der
Täter hinweist, derjenigen, die sich ins Ausland absetzten und lange in der
Lage waren, eine sogenannte "bürgerliche Existenz" aufzubauen. Si!
e zeigten keine Reue bei ihrer Verhaftung - wie im Fall Eichmann eindringlich
dokumentiert (S. 372), waren aber Meister im Verdrängen und in der
"Unfähigkeit zu Trauern" (M. Mitscherlich). In der Tat war die SS der
Inbegriff des Terrors im totalitären Dritten Reich. Und dies wird eindrucksvoll
dokumentiert. Ausdrücklich konstatiert Knopp zu Beginn: "Es wird nicht
versucht, den nützlichen und detaillierten Studien zur Geschichte der SS eine
weitere hinzuzufügen. Hingegen wird zu einer Zeit, da die letzten Täter und
die letzten Opfer noch am Leben sind, parallel zu einer international
gestützten Fernsehreihe publizistische Bilanz gezogen: für ein großes
Publikum..."
Ausdrücklich handelt es also sich nicht um eine wissenschaftliche Spezialstudie
wie der - hervorragende Band von Heinz Höhne: "Der Orden unter dem
Totenkopf", der 2002 zwar erneut im Orbis-Verlag veröffentlicht wurde,
jedoch erstmals 1967 erschienen ist und daher zwar heute noch spannend zu lesen,
jedoch im Forschungsstand zum Teil veraltet ist (die Neuausgabe wurde nicht
bearbeitet) und der immer noch das beste Buch zu diesem Thema ist.
Fazit
Misst man Knopp jedoch an seinem oben zitierten Anspruch, solide Erstinformation
zu liefern, so hat er dies - wie in seinem Band "Holocaust" -
erstklassig erfüllt. Außerdem hat er - wie an der Literaturliste deutlich wird
- zahlreiche auch neuere Publikationen berücksichtigt, etwa Norgert Freis
"Darstelungen und Quellen zur Geschichte von Ausschwitz" oder die
"Anatomie des SS-Staates" von Hans Buchheim und anderen. Auch
Brownings oben zitiertes Grundlagenwerk "Ganz normale Männer" findet
sich in der - hervorragenden Literaturliste. Das Buch befindet sich also auf dem
neuesten Forschungsstand und ist meines Erachtens auch gut lesbar und flüssig
geschrieben. Daher vergebe ich die volle Punktzahl.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 06. April 2004 2004-04-06 19:33:17