Verlorene "Ganzheit" wieder ins Leben bringen
Vorweggesagt, der eher nüchtern-rational veranlagte Leser wird mit dem teils
esoterisch angehauchten Sprachgut des Werkes zunächst die ein oder andere
Schwierigkeit haben können. "Ganzheit", "Energetische
Atmung", "Atemräume", "Körperarbeit",
"spirituelle Verbindung zum "großen Ganzen", das klingt
zunächst für Menschen, die sich mit solchen Methoden nie beschäftigt haben,
eher in Richtung der sogenannten Esoterik. Das aber wäre zu kurz gegriffen im
Blick auf dieses, auch in der Form und der häufigen direkten Ansprache des
Lesers, "Trainingsprogramm" für das eigene Selbst, das im Kern eine
"Wiederentdeckung kindlicher Ganzheit" zum Ziel hat. Mit einer
interessanten, bisher wenig breit bekannten Methode.
Die am Ende in der praktischen Ausführung eher einfach anmutet und daher hier
auch nicht näher beschrieben werden wird. Zu sehr könnte man als Leser sich
einfach auf einige Atemübungen und den "BAG-Zustand im Alltag"
reduzieren. Um früher oder später festzustellen, dass es des Unterbaus und der
weiterführenden Erläuterungen der Autorin bedarf, um genau zu verstehen, was
die einzelnen praktischen Schritte bedeuten und deren Wirkung dann auch wirklich
spüren zu können. Erkennbar aus den Traditionen des Zen abgeleitet, lässt
sich das Programm von Lea Stellmach (wie immer leicht hinkend bei Beispielen)
ein stückweit mit dem klassischen Kampfsport vergleichen.
"Einen festen Stand haben" und sich nicht aus der "Achse"
bringen lassen, diese zunächst finden und so fest und sicher in verankern, dass
diese "stabile Achse" in jeder Situation abrufbar ist, das ist das
Eine, dass in diesem Programm sachlich, ruhig, ausführlich und an einer
Vielzahl von Beispielen von Lea Stellmach erläutert wird. Dass in der
traditionellen Kampfkunst immer der Atem, die Atmung, das meditative Element
eine zentrale Rolle spielt, ist eine weitere Ähnlichkeit zur im Buch
vorgestellten Methodik. Und das am Ende ebenfalls jeder traditionell geschulte
Kampfsportler die Philosophie seiner "Kunst" in sich aufgenommen haben
muss und auch den spirituellen Aspekt der "Energie des Raumes" in
langen Übungsjahren sich antrainiert, auch das passt zum Hintergrund und den
Methoden dieses Buches.
Denn die eigene "Ganzheit" ist Teil eines "größeren
Ganzen", eine "Energie", die durch bewusste Atmung und
Körperarbeit erlebt, als Impulsgeber genutzt und deren Kraft für die eigenen
Wege und Bewegungen mit genutzt wird. Natürlich erweitert Lea Stellmach diese
Grundsätze des Zen durch die langjährige eigene Erfahrung und verweist auf
viele, griffige Bilder. Auch im "Tango" ist das "Halten der
Achse" zentral für das Gelingen des Tanzes. Und auch im "Tango"
bedarf es einer Vorm der "Durchlässigkeit" und "inneren
Nähe" zum Tanzpartner, um in den vollen Genuss des Erlebens zu
gelangen.
Was Lea Stellmach konsequent durch "Körperarbeit" dem Leser
nahebringt. Verteidigen, Flüchten, Unterwerfen, die klassischen Reflexe in
Konflikten, überhaupt die Neigung, die eigene Energie im "im Außen"
zu verankern statt in sich selbst, all das und mehr arbeitet Lea Stellmach
sauber und verständlich ab über "Leere" im Leben, den "Kampf
einstellen", ein "Energiefeld" aus sich selbst heraus herstellen
und dabei, immer wieder, stabil in der eigenen, inneren "Atem-Achse"
stehen. Griffig und klar führt der Weg des Buches zum Ziel: "Der
wirklichen Anwesenheit im eigenen Leben". Die nicht
"intellektuell" hergestellt werden kann, sondern die ein "zu
Hause" im eigenen Körper benötigt.
"Stabilisierung und Stärke geht vor Öffnung". Wie ein Mantra wird
durch die Reflexionen und vielfachen praktischen Anleitungen im Buch dem Leser
ein Weg eröffnet, der Training und Mühe kostet, aber grundsätzlich klärt,
dass jeder sein Leben leben darf (und sollte), seinen Impulsen vertrauen
schenken kann und all dies geduldig erst dann in die äußere Aktion bringt,
wenn die innere Stabilität gesetzt und der innere Impuls deutlich verspürt
wird.
Fazit
Eine interessante, andersartige Lektüre, die mit den Nerv der Zeit trifft. Die
Frage, wie man es schafft, nicht im Mahlstrom des Alltags nur noch
"funktionierend" zerrieben zu werden. Eine Lektüre, gut, dass Lea
Stellmach das vorweg stellt, die tatsächlich langsam und sehr gründlich
gelesen (und "getan" werden sollte, um den dargestellten Effekt zu
erzielen. Die aber damit auch praktisch erlebbar sich gestaltet und nicht als
reine Theorie im Raume verbleibt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 02. April 2018 2018-04-02 11:10:30