Mit einem solchen Abgang hatte Andi nicht gerechnet - weder aus diesem Grund
noch zu dieser Zeit. Seine Freundin Kim katapultierte ihn mit ein paar Sätzen
aus ihrem Herzen heraus und gab ihm wegen "chronischer
Beziehungsermüdung" den Laufpass. Dass er sich wohl schon einige Zeit auf
der Abschussliste befand, war ihm gar nicht aufgefallen, und so traf ihn Kims
Entscheidung wie ein unverhoffter Vulkanausbruch, der alles durcheinander
brachte. Ausgerechnet jetzt, wo er glaubte, gefühlsmäßig so richtig herzhaft
verbandelt zu sein und ein romantischer Liebesurlaub nach Kambodscha und Vietnam
in greifbare Nähe gerückt war, setzte Kim in ihrem Leben die Sessel gerade und
ihn vor die Haustür. An ihrer Entscheidung konnte er nichts ändern, da er sie,
wie sie selbst feststellte, "emotional nicht mehr erreichte", aber den
Asien-Urlaub sollte ihm diese Trennung nicht verderben - denn auch allein, oder
vielleicht gerade allein, konnte man sich von den Schlägen des Schicksals
erholen. So musste er nur noch ein paar Formalitäten erledigen, um aus dem
Doppelzimmer ein Single-Quartier zu machen, dann stand dem Urlaub in
verlockender Ferne nichts mehr im Wege. Doch auch hier hatte das Schicksal
anders entschieden - das Zimmer blieb, die Besetzung änderte sich, denn Mutti
war ihrem Sohn in dieser Zeit der seelischen Not auf den Fersen und schloss sich
samt seinen beiden Schwestern Antje und Kirstin der erwartungsvollen Reisegruppe
an, um den verstoßenen Sohn zu umsorgen und ihm aus dem Gefühlstief
herauszuhelfen. Müßig zu erwähnen, dass damit das wahrhaftige Chaos erst
begann.
Christoph Dörr hat hier sein Debüt gegeben. Er bewegt sich mit seinem Roman
auf Pfaden, die es in jedem Leben geben könnte. Alle Personen sind gut
gezeichnet und vorstellbar in ihren Charakteren, ihren Wünschen und Plänen.
Nur sind sie hier die Besetzung urkomischer Situationen, deren Hauptakteurin
eine übermotivierte Mutter ist, die mit zwei spitzzüngigen, aber auch
liebevollen Töchtern im Leben eines eben erst "teilgescheiterten"
Sohnes herummischt und auf dem unglaublich breiten Podest seiner ergebenen,
geduldigen Naivität ihre Kapriolen schlägt und Schicksal zu spielen versucht.
Zusammen mit dem bunt gemischten Völkchen der Reisegruppe entsteht ein
ferienfröhliches, humorvolles Bild mit einem touch asiatischer Kultur gemixt,
das den Leser auf dieser unfreiwilligen Familientour begleitet und oftmals
schmunzeln lässt. Es wird flüssig und heiter erzählt oder auch persifliert,
sodass man sich öfter fragt, ob es solche Mütter - oder Söhne - wirklich
gibt! Aber egal, ob ein "Andi" in der "freien Wildbahn"
existieren könnte oder dort nur an die Wand gespielt würde, er ist amusant,
liebenswert und mit seinem Smiley-Lächeln ein Sympathieträger des Humors, dem
man eigentlich für ein Leben ohne Mutti die Daumen drückt. Die lustige
Leichtigkeit, mit der Christoph Dörr seine Protagonisten über die fast
vierhundert Seiten des Romans reisen läßt, ist ein Garant für entspannende
Lesestunden mit heiterer Urlaubslektüre, die man gerne mitnimmt, weil sie
Gepäck und Gedanken nicht belastet.
Fazit
Locker - leichte Urlaubskost in flüssiger Sprache auf den Tisch des Lesers
gebracht - diesen Anspruch hat der Autor rundum erfüllt.
Vorgeschlagen von brillenbaby
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veröffentlicht am 05. Juni 2013 2013-06-05 11:26:51