Lebendige Vergangenheit in gegenwärtigen Verhältnissen
Es die "Kultur-Titanen" Stadt deutscher Geschichte durch die Zeiten.
Weimar. Es ist das "Deutsche National Theater". Und es ist eine
Christine dabei, eine Art "Geheimrat" als selbsternannter und strenger
"Sittenwächter der Natur". Gepaart mit einem neu hinzugezogenen,
leidenschaftlichen "Erneuerer", fiebrig, rastlos, im kleinen,
möblierten Zimmer statt im herrschaftlichen Haus.
Und da ist eine Liebe, die zeitlos wirkt in ihrer teils fast animalischen
Zuneigung, aber auch ganz "in der Zeit ist" in all den Gedanken, wie
man eine solche Liebe auf Dauer erhalten kann. Die in der Gegenwart durch eine
aufsässige "Göre" ergänzt wird, die kein Blatt vor irgendeinen Mund
nimmt. Eine Liebe, in der auch "Altlasten" noch Spuren hinterließen
und neue vielleicht setzen wollen. In der eine der Ehen bereits erkaltet ist und
sich eine klassische "romantische" Verbindung neu anzubahnen scheint,
was nicht kampflos vonstattengehen kann.
Vielfach kann der Leser Parallelen, Zitate, Zustände der "Hochzeit
Weimars" in diesem Roman von Dominiquw Horwitz erkennen (der sich selbst
eine leicht erkennbare Rolle mit hineingeschrieben hat). Nicht unbedingt eine
nahtlose Fortsetzung sind die aktuellen Ereignisse in Weimar, auch wenn
Kaminsky, Chantal und Laura bereits aus dem Vorgänger bestens bekannt sind.
Aber die Atmosphäre Weimars, das Enge der Stadt, in der jeder jeden im Blick
hat (zumindest im kulturellen Leben) und die Weite des Denkens, für die Weimar
auch steht, kommen bestens zur Geltung und sind eine Freude zu lesen. Das alles
gepaart mit mannigfaltigen, je bestens passend gesetzten Zitaten der deutschen
Klassik (nicht nur Goethe und Schiller).
"Jeder ist von anderen durch Weiten getrennt, dass er nicht weiß, wo es
lodert und flammt und brennt – Wir sind allein". Und selten hat Tucholsky
so genau gepasst, wie in dieser Szene im Werk, die bildkräftig von Horwitz
erzählt, all das ausformuliert, was das Zitat in sich trägt.
Das sind die bemerkenswerten Momente des Romans, der, entkleidet man in aller
Mystik und der Einbettung in die deutsche Denk- und Literaturgeschichte, im Kern
einen anregenden Liebesreigen ergibt, der die Liebe als "Arbeit", als
rettungslose Leidenschaft", als unflexibel, überholte Tradition eines
"Patriarchats" ebenso vor Augen stellt, wie die Schwierigkeiten,
aufsässige Teenager dennoch zuerst einmal zu lieben statt schütteln zu
wollen.
Das gerade jene Chantal doch zu sehr in Stereotypen verbleibt, so dass selbst
der Leser ab und an überaus genervt von solcher "ungeschminkter Sprache
ist" und zudem die Personen doch in ihren Rollenzuweisungen ein stückweit
stereotyp verbleiben, führt hier und da zu doch sehr vorhersehbaren
Ergebnissen, schmälert aber die flüssige Erzählweise und die reflektierten
Gefühle in den Personen nicht entscheidend.
Fazit
Eine anregende, literarisch-kulturell verankerte Lektüre mit viel Lokalkolorit
und durchaus auch Tempo.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 25. März 2018 2018-03-25 12:42:05