Wort-Rausch mit Tiefgang
Einmal Schauspieler, immer Schauspieler, könnte man sagen.
"Ich war es gewohnt, Rollen zu spielen". So Alexander Cleave,
Protagonist und Ich-Erzähler dieses bildkräftigen, sprachverliebten Romans von
John Banville. Ein Mann, zunächst ein Rätsel, der anscheinend
"mittendrin" sein aktuelles Engagement hingeworfen hat, der das
gemeinsame Heim verlässt ("Heißt das, Du verlässt uns?", fragt
seine Frau) um im ehemaligen Elternhaus, leerstehend wirkend, seit Jahren eher
am Verfallen, zunächst mit ein wenig Habe seinen Wohnsitz einzunehmen. Doch
einerseits nicht ohne Grund geht der ständig mit sich und seinen Beobachtungen
beschäftigte Mann seinen Weg (was sich erst fast ganz zum Ende des Romans hin
klären wird) und auch nicht unbedingt alleine, wie sich zeigen wird.
Denn der erste Eindruck täuscht, das Haus ist gar nicht völlig unbewohnt, ein
zunächst ominös wirkender Mann und dessen Tochter halten sich darin auf, wobei
jener "Bewohner", Quirke mit Namen, wie ein Schatten als
Gesprächspartner dient. Was allerdings weniger in Form von Dialogen
stattfindet, sondern im Gesamten des Romans wie ein einziger, assoziativer, das
Leben in seiner Geschichte nachvollziehender und die Gegenwart wie ein
Beobachter in ständig taxierendem Monolog Seite für Seite über den Leser
hineinbricht.
"Bei Quirke hatte ich oft das Gefühl, dass er drauf und dran war……mir
etwas Lebenswichtiges mitzuteilen". So dient Quirke als eine Art Spiegel
der eigenen Innerlichkeit, die zu einem bestimmten Durchbruch, einer Form
innerer Heilung drängt, lange Zeit von Cleave selbst in seiner ständigen
Betrachtung des Außen eher gehindert denn befördert. Einer, der sich nur
deklamierend treiben lassen kann in der Hoffnung, dass die innere Erschütterung
durch irgendeinen Impuls sich beruhigt und wieder zusammenfügt, was in
Unordnung, im Chaos gelandet ist. Und noch jemand begleitet Cleave in dieser
Rückschau und Gegenwartsbetrachtung. Eine Art Geist, eher eine Ahnung, denn
eine festgefügte Gestalt, obwohl auch dies zum Ende hin dann feste Formen
annimmt, Formen, die all dieses Bedenken, erinnern, die teilweise inneren
Wirrungen des Mannes erklärt werden wird.
"Es war, als ginge jemand lautlos neben mir, oder besser: in mir, genau im
gleichen Schritt wie ich, ein anderer, der nicht ich und mir dennoch vertraut
war".
Ein Geschehen, dass sich als Sinnsuche eines in sich erschütternden, wankenden
Menschen zeigen wird, der allerdings nie anderes getan hat, als Rollen zu
spielen und sich so wohl nur über die Sprache und Worte über Worte langsam von
außen an sich selbst herantasten kann. Geleitet durch unterbewusste
Strömungen.
"Nun, da wir zusammen an einem dieser Fenster standen, versuchte ich meiner
Frau, meinen Traum zu erklären".
Hier dringt die Suche der Seele zaghaft ans Licht, von einem Traum geleitet,
begleitet von handschriftlichen Aufzeichnungen seiner Tochter Cass, selbst bald
fieberhaft Notizen verfassend über das, was er sieht, was war, was sein
könnte, was hätte geschehen können. "Ha, Freud hätte seine helle
Freude". Ruft es ihm seine Frau hinterher, als er seines Weges zieht und an
diesem Satz ist durchaus etwas dran, was zum Verständnis des Romans beiträgt.
Weil eben der Mann nicht direkt Zugang zu sich und der Welt findet, weil er nur
im Betrachten, analysieren, lamentieren und kopieren von "Stoffen der
Welt" wie in einem Drehbuch sich seiner selbst in konzentrischen Kreisen
anzunähern vermag.
So erklärt sich auch die körperliche fast Flucht in die Dachkammer, als seine
Frau sich nicht her abschütteln lässt in der realen Welt. Was nicht immer
einfach für den Leser ist, allen Fäden zu folgen und "den" roten
Faden im Blick zu behalten. Wobei diese innere Logik aber auch nicht das
entscheidende bei der Lektüre ist, sondern die reine Sprachkraft Banvilles vor
allem den Leser in den Sog der Geschichte zieht. Eine Form ständiger,
poetischer, blumiger, bildkräftiger Beschreibungen und Umschreibungen, in denen
Banville es meisterhaft versteht, die Distanz zum Leben des Protagonisten
einerseits und die drängenden, tiefen Emotionen hinter dieser Distanz
andererseits mitzufühlen und mitzuerleben.
Fazit
Und so wird die Reise hinter jenem "da spielt sich ja bloß einer auf"
zu einer literarisch interessanten, sprachlich mitreißenden und am Ende erst
absolut verständlichen Innerlichkeit, die den Leser so schnell nicht wieder
loslassen wird.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 07. März 2018 2018-03-07 11:13:21