Für diese Lektüre braucht es besonders gute Nerven
Man hat es irgendwie geahnt, dass die "Paradieszeiten" der
Versicherer, als Riester und andere private Alterssicherungen eingeführt
wurden, einen gewissen Geschmack an "Bereicherung auf Kosten anderer"
hinterließen. Man liest nebenbei auf den Nachrichtenportalen, dass manche
Versicherungen ihre "Altverträge" verkaufen. An andere Unternehmen
oder extra für diesen Zweck gegründete Gesellschaften. Vor einigen Jahren
wurde mit Müh und Not die Insolvenz eines mittelgroßen Versicherers
aufgefangen, ein Solidarfonds der Versicherungen gegründet. Der, bei genauerem
Hinsehen, genau dann kollabieren wird, wenn eine größere Versicherung ihren
Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann.
Sven Enger war in Vorständen von Versicherern. Er kennt das Geschäftsmodell,
die drastischen Veränderungen dieses Modells seit den 2000er Jahren, die man
nur mit "Gier" bezeichnen kann und er kennt den aktuellen Stand. Sein
Resümee fällt nicht nur ernüchternd, sondern verheerend aus: "Die
Experten haben bei ihren Untersuchungen (der privaten Altersvorsorge) einen
enorm wichtigen Faktor nicht bedacht. Sie gehen davon aus, dass die private
Altersvorsorge funktioniert".
Was sie aber nicht kann, folgt man Enger, der in sehr ruhigem Ton, mit sehr
plastischen Beispielen und nackten Zahlenwerken Fakten vorlegt, die dem gesunden
Menschenverstand Seite für Seite zeigen, dass das so nicht (mehr) gehen kann.
Und Enger geht einen Schritt weiter, in seinen Augen ist das System der
Lebensversicherungen und privaten Alterssicherungen weder zu reformieren noch zu
retten, der "Point of no return" überschritten. Was er nicht einfach
postuliert, sondern detailliert aufzeigt und belegt. Wobei Enger behauptet, dass
dies allgemein in den entsprechenden Kreisen auch bekannt ist. Aber mit Verve
verschwiegen wird, um "Panik im Land" zu vermeiden.
Wobei die eigentliche Brisanz, wie immer in den letzten Jahren und Jahrzehnten,
beim Geld liegt. Und den Folgen: "Der Kapitalbestand der
Assekuranz-Unternehmen ist derart groß, dass sie den gesamten Finanzmarkt in
die Krise reißen können." Und nicht nur den Finanzmarkt, denn es geht um
solche Summen, dass keine der Volkswirtschaften in der Lage wäre, dass in
Billionenhöhe abzusichern. 2,2 Billionen Euro Spar- und Tagegeld und 3,5
Billionen in Form von Anleihen, Aktien, Fonds oder Versicherungen, und davon
steht bei einer Pleite der Versicherungsbranche kein geringer Teil auf dem
Spiel.
Fazit
Schritt für Schritt erläutert Enger dem Leser zunächst das System als
solches, zeigt auf, wo in der jüngeren Vergangenheit Bruchstellen vorlagen,
Scheidewege, an denen nicht das Solidarprinzip und kluges Vorrauschauen das
Handeln bestimmt haben, sondern die Suche nach dem schnellen Profit das System
so geändert hat, das es quasi "vor die Wand fährt". Wobei Engers
nicht apokalyptisch endet, sondern dem Leser durchaus Alternativen,
Möglichkeiten, Wege weist, dass Seine an Geld vernünftig zu sichern. Soweit
das möglich ist.
Enger beschränkt sich thematisch konsequent auf den Versicherungssektor und
hier konkret auf die kapitalbildende Lebensversicherung. Aber es ist ein
leichtes, aus dem Buch heraus die grundlegenden Probleme auf die gesamte
Finanzwirtschaft hochzurechnen. Ein erschreckendes und dennoch nicht
übertrieben wirkendes Bild, das durch die Lektüre entsteht.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 12. Februar 2018 2018-02-12 13:22:05