Der kleine Verrat mit großen Folgen
Hannecke Bakker ist jung, pfiffig, eigentlich in Trauer, nur dass dazu wenig
Zeit bleibt. Der junge Mann, der ihr Herz schneller schlagen ließ, ist unter
den 2000 Soldaten gewesen, die versucht haben, die Grenze der Niederlande gegen
die herannahenden deutschen Truppen im zweiten Weltkrieg zu verteidigen. Auch
schon eine Weile her, das Land steht geordnet unter Besatzung, erste
Bedrängungen gegen die Juden im Land sind nun schon länger öffentlich zu
sehen. Bezugsscheine regeln das Leben. Hannecke ist eine jener, die durch ihre
Verbindungen im Schwarzmarkt vieles besorgen kann, was sonst nicht mehr an der
Tagesordnung steht. Ihre junge, frische und klare Art hat ihr bisher immer dazu
verholfen, die Kontrollen zu überstehen. Also, man kann sagen, Hannecke und
damit ihre Eltern kommen ganz gut zurecht.
Wenn da nicht Frau Janssen von nebenan eine schwierige Bitte an Hannecke hätte.
Keine besonderen Waren soll sie herbeischaffen, sondern ein Kind, ein Mädchen.
Jüdin. Deren Eltern und Onkel "nebenbei" von den Deutschen erschossen
wurde. Ein Mädchen, dass Frau Janssen in einem geheimen Raum hinter ihrer
Speisekammer versteckt hatte und das nun einfach nicht mehr auffindbar ist.
"Ich bezeichne mich lieber als "Finderin". Ich suche und finde
Sachen". Und auch was die Suche dieses Mädchens angeht, wird sich Hannecke
nicht auf Dauer entziehen, auch wenn sie zunächst erschrickt und ablehnt.
Eine Suche im besetzten Amsterdam, die Hannecke in Verbindung bringen wird zum
sich gerade entwickelnden Widerstand im Land, vor allem zu jener Besonderheit in
den Niederlanden der "Widerstandsfotografen". Tiefer und tiefer dringt
sie hinein in diese "Welt hinter der Fassade", in der Menschen in
besonderen Straßenbahnen und alten Theatern zusammengetrieben werden, teils
einfach vor Ort noch erschossen werden und die Suche Schritt für Schritt
gefährlicher auch für Hannecke wird. Vor allem, da nicht alle, denen Sie
begegnet, ihre Emotionen im Griff haben und man sehr darauf achten muss, wem man
überhaupt was sagt.
Eine Geschichte, die Hesse in einfacher, aber stilsicherer Sprache sehr lebendig
erzählt und die nicht gradlinig auf eine Happy End zusteuert, sondern so manche
Verwicklungen, Vertauschungen und neue Spuren mit sich bringt, welche die junge
"Finderin" vor schwierige Aufgaben stellt. Samt der, dem Tod ins
Anblick zu sehen und Ohnmacht zu erleben. Dass dies alles sich an einer
Kleinigkeit entzündet hat. Ein verletztes Gefühl, eine Information am falschen
Ohr, das bringt eine emotional besonders dramatische Wendung zum Ende des Buches
ans Licht. Und darin zeigt sich auf, dass es gar nicht die großen Fanatiker
oder verqueren Idealisten eines Systems sind, die ein Geschehen wie den
Holocaust alleine durchgeführt haben, sondern dass vor allem der "kleine
Verrat", die Nickeligkeiten, das unbedachte Wort und, ja auch, dass
"es sich zu lange Schönreden" im Lauf der Zeit den Absichten der
Fanatiker bestens in die Hand spielte.
Fazit
Eine anregende, gerade für Jugendliche wichtige Lektüre über die
Verantwortung anderen gegenüber und was es ausrichten kann, immer nur das
eigene, "kleine" Gefühl des Moments für das Wichtigste der Welt zu
halten.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 07. Februar 2018 2018-02-07 11:33:07