Direkt, klar, beeindruckend
Es sind die hochragenden Kräne, Masten, technischen Maschinen des Hamburger
Hafens und anderer Orte der Millionenstadt, die jene "Palmen aus
Stahl" bieten, die dem Buch seinen Titel gegeben haben. Anblicke, die
Dominik Bloh jahrelang, unfreiwillig, "ganz unten" und eher mit
Verzweiflung denn mit romantischen Gefühlen betrachtet hat. Aufgrund des
schwierigen, harten, gewaltsamen, verstoßenden Elternhauses, der psychisch
kranken Mutter werden Blohs Versuche, als Jugendlicher Fuß zu fassen, oft jäh
und irgendwann dann ganz unterbrochen. Der Fußballverein, der ihm Halt gab und
einen Sport zudem, der auf Größeres hoffen hätte lassen können? Abgemeldet
zugunsten der "Zeugen Jehovas", durch die Mutter.
Die engen Freunde, die zwar einerseits als "krimineller Hintergrund"
sich entwickelten (mit Bloh durchaus an der Spitze), die aber auch inneren Halt
gaben, plötzlich weg und Bloh selbst in die tiefste, bayerische Provinz
verfrachtet. Hart, einerseits, dennoch aber, bei den Großeltern, eigentlich die
beste Chance, die sich dem Jugendlichen bot. Fast ein Segen, wäre die
Großmutter nicht tödlich erkrankt. Was zu einer der vielen, zu Herzen gehenden
Szenen im Buch führen wird, denn auch diese innige Verbindung wird durch die
Mutter in den Tagen vor dem Tod der Großmutter massiv durchbrochen, der junge
Dominik nach Hamburg geschickt, wo er nur aus der Ferne vom Tod der Großmutter
erfährt.
Bis Bloh sang und klanglos, von jetzt auf gleich, von der Mutter herausgeworfen
wird. Als noch Minderjähriger Obdachlos. Mit Folgen für Körper und Seele. In
dieser Situation versucht Bloh, die Schule weiter zu besuchen, man ahnt es
schon, nicht erfolgreich. Im Park, auf Bänken, im Schrebergarten, Flaschen
sammeln, zugige, kalte, harten Nächte, Anlaufpunkt für eine 1-Euro-Burger und
ein paar Augenblicke Wärme der Macdonalds im Hamburger Hauptbahnhof. Und eine
Mutter, die auf Klingeln an der Tür nicht mehr reagiert und auf der Straße den
Sohn ignoriert. Da braucht es kaum Fantasie beim Leser, um unmittelbar betroffen
zu sein und zu wissen, was in einem Menschen dann vorgeht.
Schlicht und klar in der Sprache, direkt und emotional treffend erzählt Dominik
Bloh sein Leben. Mitunter etwas abgerissen im roten Faden (was aus der
abbruchreifen Wohnung wurde, in die er als volljähriger "eingewiesen"
wurde, verliert sich in der Lektüre unaufgelöst, die Nähe zu werden Größen
des Rap und Hip-Hop zerfasert, ohne dass der Leser genau erfährt, wie sich das
alles zerlaufen hat (was ja auch Chancen hätten sein können).
Hoffen und Bangen, Gute Vorsätze und Rückschläge, ein auf und ab des Lebens,
das man in dieser Form in einer modernen und reichen Gesellschaft kaum für
möglich halten würde. Vor allem, weil Bloh oft und oft von seinen
"Amtserfahrungen" zu berichten weiß, die selbst ihn, den
"Willigen" zutiefst entmutigt zurücklassen. Mit harten und
schonungslosen Berichten für den Leser. Wenn da einer auf der Straße
entlangkriecht, sichtbar angeschlagen, und Bloh der ist, der sich mitleidig
kümmert, während die gut situierten Passanten eilige weiterhasten und den
Blick abwenden. Eine Zeit auf dem "Kiez" und mittendrin unter den
"harten Jungs" und "leichten Mädchen", Jobs im Wachdienst
mitsamt dem Versuch, das Abitur irgendwie zu schaffen und sich tagsüber nach
den Nachtschichten in der Schule wachzuhalten.
Bis hin zu jenen Ereignissen im Zuge der Flüchtlingskrise, die für Dominik
Bloh nicht innerlich, aber äußerlich dann "Boden unter die Füße"
gegeben haben. Seine Chance bekommen, dass ist, was am Ende des Buches verleibt.
Und das, passenderweise, durch Blohs empathische Hilfsbereitschaft und eben
nicht durch Ämter oder "sich erstritten". Eine überaus
empfehlenswerte Lektüre des Mannes mit dem "Ankerherz" als Tattoo auf
dem Oberkörper, der eindrücklich dem Leser vermittelt, was es eigentlich
heißt, "auf der Platte" zu sein, wie Mitmenschlichkeit eigentlich
geht und wie beschämend es ist, was an "sich Abwenden" jeden Tag
geschieht.
Fazit
"Viele schreckliche Dinge passieren, und wir können nichts daran ändern.
Das ist schlimm. Schlimmer ist, dass wir viele Dinge passieren lassen. Sie
schauen weg, statt hin". - Was sich ändern lassen könnte, auch durch die
Lektüre dieses Buches.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 26. Januar 2018 2018-01-26 15:41:54