Kriminelle Familiengeheimnisse
Eine vom Dienst befreite Pariser Polizisten will ihr erlittenes Trauma (sie hat
in Notwehr einen Verdächtigen erschossen, der zuvor ihren Kollegen tötete und
wurde dabei selber angeschossen) in den frühkindlich heimischen Gefilden der
Bretagne überwinden.
Eine Reise, die Marie auch in die, sehr im Dunklen liegende, Vergangenheit ihrer
eigenen Familie führt. Zunächst aber lässt sich der Besuch in der rauen,
bretonischen Landschaft gut an. Marie trifft auf ihren Vater, den sie ob der
frühen Trennung ihrer Eltern nie kennengelernt hatte. Sie taucht ein in die
zerklüftete Lebenswelt der Bretagne, und stellt doch bald fest, dass nicht
alles so ist, wie es scheint.
Durch Zufall trifft sie vor Ort auf jenen Mann, Paul, der sich nach dem
Schusswechsel in Paris als erster vor Ort um sie gekümmert hat. Paul, dem Marie
bald intensive Gefühle gegenüber bringt, der aber durch seine Arbeit eher
zufällig an die Wurzeln eines alten Verbrechens stößt. Ein Verbrechen, dass
auch Maries Vater und letztlich sie selbst mit in den Strudel vergangener
Ereignisse zieht. Je mehr Paul und Marie auf die Spuren eines
Familiengeheimnisses geraten, je mehr Marie beginnt, ihrem eigenen Vater zu
misstrauen, desto bedrückender wird die Stimmung in dem kleinen, bretonischen
Dorf. Auch die erwachende Liebe zu Paul wird auf einen schweren Prüfstand
gestellt.
Was hat es auf sich mit dem Untergang der "Helena", der 12 Seemänner
zum Opfer fielen? Warum haben sich Leon Menec, der Patriarch des Ortes, und
Michel, Maries Vater, so voneinander distanziert? Welches Spiel betreibt Claire,
die Frau Leons? Hat Michel tatsächlich einen Mord begangen? Oder wie sonst kann
es sein, dass sein alter Wagen, der laut Michels Aussage seit Jahren nicht aus
der Garage bewegt wurde, plötzlich Unfallspuren aufweist?
Leider benötigt der kundige Leser nicht all zu lange, bis aus all den
Andeutungen und verschlungenen Indizien klar wird, wer hinter all den
Ereignissen die Fäden zieht. Fäden, die bis zu jenem Schusswechsel in Paris
reichen und den Untergang eines Schiffes verursacht haben. Eine Wirkliche
Spannung bietet das Buch nicht unbedingt.
In flüssiger, nie überfordernder Erzählweise, die hier und da durchaus auch
ins Banale vefällt, packt Christiane Sadlo zudem so einiges in ihrer Geschichte
zusammen, was sich nicht unbedingt in bester Weise ergänzt. Familiendrama,
Kriminalfall, belastete Liebesgeschichte und Mystizismus (Paul ist Archäologe
und findet sich im Verlauf des Buches auch auf Druidenspuren wieder) ergeben,
jedes für sich, zwar einen eigenen Handlungsstrang (nicht immer in Gänze
ausformuliert). Aber alles zusammen ergibt so manches Mal im Buch eine eher
verwirrende Gemengelage, bei der weniger mehr gewesen wäre.
Dennoch bietet gerade das Rätsel um den Kriminalfall (trotz mancher logischer
Verkürzungen) eine durchaus anregende Unterhaltung und zieht den Leser mit in
den Bann, wer nun genau und warum am damaligen Drama Schuld trägt, das seine
Kreise bis in die Gegenwart zieht. Zudem bietet gerade dieser Erzählstrang zum
Ende des Buches hin auch überraschende Momente, die Paul und Marie ebenfalls in
direkter Weise betreffen werden.
In der eher stereotypen Zeichnung der Figuren, der allzu bekannten Wendung der
Liebesgeschichte (Sich nähern, distanzieren, Happy End) und der familiären
Dramen und Wendungen ist die Geschichte allerdings sehr vorhersehbar und bietet
kaum neue Impulse.
Fazit
Vor der Kulisse der rauen und gewaltigen Landschaft der Bretagne mit all ihren
mystischen Elementen erzählt Christiane Sadlo ein verschlungene, allerdings in
weiten Teilen auch vorhersehbare Geschichte, die in bewährter Weise unterhält,
aber das Genre beileibe nicht neu erfindet. Solide Unterhaltung.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 06. September 2011 2011-09-06 06:49:28