Knifflig, spannend und menschlich gut getroffen
Wenn ein verkleidetes Wesen, von dem noch nicht mal klar ist, ob es Mann oder
Frau ist, zwei Kinder vom Streichelzoo weglockt und die Mutter damit in Panik
versetzt. Wenn in einem Whirlpool zwei menschliche Gegenstände auftauchen, die
nicht dahin gehören. Und wenn ein unbescholtener, leicht zwanghaft veranlagter
Angestellter im mittleren Dienst seinen teuren und geliebten Wagen ausparken
will und damit eine Kettenreaktion in Gang setzt, die überaus dramatische
Folgen hat mitsamt dem beteiligten Schutzgatter auf einer hohen Mauer, dann ist
intensive Ermittlungsarbeit angesagt.
Was einfacher wäre, wenn es überhaupt eine verwertbare Spur gäbe. Was zudem
besser laufen könnte, wenn einer der Ermittler nach dem letzten Fall nicht
"ganz unten" in der Abteilung gelandet wäre, einen eher nerdigen
Assistenten als Hilfe heranziehen muss und zudem in seinem Privatleben seit eben
jenem letzten Fall so ziemlich alles sich in Unordnung befindet, was nur geht.
Wobei zudem die eigene Chefin mit der psychologischen Mitarbeiterin, die
Kommissar Huld ja nicht nur aus beruflichen Gründen versucht, stark in den Fall
mit einzubinden, keine geringen Komplikationen mit in den Raum setzt. Eifersucht
vielleicht sogar?
Da muss der Leser lange Zeit den eigenen Assoziationen vertrauen, denn trotz
vielfacher Andeutungen, einem eindeutigen Prolog und immer wieder kleineren
Hinweisen im Thriller weiß der Leser lange Zeit nicht mehr als Hulda selbst,
aus dessen Perspektive der Großteil des Thrillers seinen Gang nimmt. Ob eine
Zeitkapsle, die vor gut einem Jahrzehnt von einer Schulklasse feierlich
eingemauert und erst letztens wieder geöffnet wurde, wirklich wichtige
Anhaltspunkte in diesem einen Aufsatz enthält, der eine ganze Reihe von
Todesfällen voraussagt?
Das bleibt zuerst dahingestellt, während Sigurdardottir den Leser tief in die
Gefühlswelt ihrer Personen mit hineinzieht, ohne mit der Wimper zu zucken auch
blutigste und brutalste Tatorte bildkräftig schildert (und dabei immer noch
das, was sie nur andeutet, die Fantasie des Lesers konkret und zielgerichtet
lenkt) und zudem Fassade über Fassade beginnt zu fallen. So dass zunächst
einmal völlig unbescholtene Bürger um Jahre zurückliegende dunkle
Verbindungen und manches Geheimnis langsam an die Oberfläche dieses
undurchschaubaren Falles durchsickern lassen. Nicht selten müssen. Mit
gravierenden Folgen für die eigene Gesundheit.
Dabei ist der Thriller weniger mysteriös denn eher als Kriminalpuzzle angelegt,
zeigt die Welt "ganz unten" in der sozialen Skala ebenso, wie die
gutsituierte Seite der Gegenwart und nimmt den Leser umgehend für den
gebeutelten Hulda ein. Der einerseits dankbar ist, überhaupt noch in der
Abteilung, deren Chef er vor Kurzem noch war, mitarbeiten zu können, dessen
Naturell aber ein einfaches "Absitzen" der Dienstzeit konsequent nicht
gestattet.
Fazit
Spannend, unterhaltsam, teils mi unverdeckter Gewalt gesehen, ist dies ein
Thriller, den man nicht gerne vor dem Ende aus der Hand legt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 18. Dezember 2017 2017-12-18 14:12:09