Wichtigster Baustein für die innere Balance
Was braucht ein Wesen um in gefahrvoller Umwelt zu überleben? Sicher,
einerseits eine gewisse Intelligenz, um sich die Umwelt nach und nach
"passender" zu gestalten. Vor allem aber ein Instrumentarium an
Möglichkeiten, schnell und umgehend zu reagieren. Emotion, Intuition, Impuls
und Reaktion. Wenn gefahren drohen, ist es nicht an der Zeit, lange und briet
pro und contra gegeneinander abzuwägen und nach bestmöglichen Lösungen zu
suchen. Sondern dann ist es an der Zeit, umgehend "aus dem Bauch
heraus" zu agieren. Kampf, Flucht, zur Verfügung stellen von Adrenalin
für höchste Konzentration und gegen möglichen Schmerz, all das sind
Instrumente, die auf der Ebene der Gefühle beim Menschen anzutreffen sind und
ein unmittelbares Reagieren erst ermöglichen.
Mit dem Ziel, wie Damasio es formuliert, "Homöostase" "im
System" (in der inneren Persönlichkeit und Erlebniswelt des Menschen)
herzustellen. Eine "Balance", die einerseits Schutz ermöglicht und
andererseits den Blick für "nebenliegende" Möglichkeiten und damit
Fortschritt und Entwicklung öffnet. Wie bei allem biologischen gilt aber auch
hier, leger gesagt, "von Nichts kommt Nichts". Und somit liegt die
Schlussfolgerung nahe, evolutionsbiologisch dem "Ursprung der
Gefühle" nachzugehen. So ergibt sich das Thema des Werkes aus dem Leben
selbst heraus bis dahin, dass Damasios Erkenntnisse dahin gipfeln, jene
"Gefühle" für die zentrale Kraft des Menschen zu setzen. Ohne
Gefühle kein menschliches "bewusstes" Leben im bekannten Sinne und
damit auch kein Fortschritt, keine sozialen Verbindungen, keine Kultur und keine
weiterführenden Erkenntnisse.
Was sich zwar interessant liest, im Vorgehen des Autors aber doch viel mit
""Glauben" zu tun hat. Denn belastbare Forschungsergebnisse
werden nicht ausführlich dargestellt und zudem leidet Damasio am gleichen
Problem wie jeder, der sich "allgemein" über Gefühle äußert. Denn
der Begriff "Gefühl" ist ans ich zunächst eher unbestimmt, fast
nebulös und bedürfte je einer sehr konkreten und feinfühligen Darstellung, um
das Ganze griffiger und klarer für den Leser zu gestalten. So, wie Damasio den
Begriff nutzt, bleibt einfach zu viel Spielraum für subjektive
Interpretationen, was gerade unter "Gefühl" empfunden oder verstanden
wird.
Gerade weil jeder umgehend eine gewisse Assoziation zum Begriff aufbringt,
fällt diese Unschärfe im Lauf der Lektüre erst spät auf, dann aber mit doch
nachhaltiger Wirkung. Die Setzung von "Gefühlen" als
"existenzielle Grundlage" der menschlichen, kulturellen Entwicklung
noch vor der Sprache, dem ausgeprägten Sozialverhalten und den vielfachen
Möglichkeiten des Intellekts bleibt so eher als These denn als solider
erwiesener Fakt im Raum. Auf der anderen Seite aber ist es durchaus spannend und
auch wichtig, den zentralen Gedanken im Buch zu folgen um sich begründet eines
"nur Nebenbei" von Affekten und Gefühlen verwehren zu können.
Fazit
Nicht nur die psychoanalytische Tiefenanalyse hat ergeben, wie zentral
unbewusste und damit auch emotionale Vorgänge für die Entfaltung und
Entwicklung des Individuums und ganzer Gesellschaften ist, auch die
Neurobiologie, die Damasio als sein Forschungsgebiet schon lange gesetzt hat,
weiß von der hohen lenkenden Bedeutung der Affekte und Emotionen.
Das ist der Teil des Buches, das als sehr gelungen und zudem sehr verständlich
nach der Lektüre im Raum verbleibt. Und so setzt Damasio am Ende zu Recht, wenn
auch nicht durchweg stringent im Buch begründet, die "Gefühle" als
"Motiv menschlicher Entwicklung" im Rahmen der Evolution. Ein
interessanter Blick in die Urspränge der menschlichen Kultur.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 10. Dezember 2017 2017-12-10 13:38:40