Feinfühlig dem Inneren nachspürend
Nun ja, Mill Valley, gut 11.000 Einwohner, im Dienstgebiet San Franciscos, auf
der anderen Seite der "Golden Gate" ist nicht anderes (was allein
schon die Verweise auf Durchschnittseinkommen und Bevölkerung im Buch
vermittelt), als eine ruhige, wohlhabende, vom gesellschaftlichen Leben her eher
langweilige "Schlaf-Stadt" für Menschen, die morgens eilig in die
Metropole zur Arbeit fahren. Und eine Stadt, in der durchaus Kinder und
Jugendliche eigentlich behütet aufwachsen könnten, bis sie, was üblich ist,
um das 18. Lebensjahr herum den Ort verlassen für Ausbildungen, College,
Studium. Das also, wird von Beginn n klar, ist nicht der "gefährlichste
Ort" der Welt. Wohl aber liegt in diesem Ort, (wie in allen Orten der
Welt), ein "gefährlicher Ort".
Die Seele heranwachsender Jugendlicher im digitalen Zeitalter. Wie mag das auf
einen wirken, der eher am Rande in der Schule steht, der kein Sport-As, keine
Party-Kanone ist und sich dennoch ein Herz fasst, sein Herz einem Mädchen
schriftlich zu offenbaren? So ganz "Old-School". Er, der allein mit
seiner Mutter lebt. "Der traut sich was", könnte man sagen. Und wenn
der Roman ein Liebesroman wäre, dann würde vielleicht auch über vielen
Umwegen was draus werden. Aber nicht in der real gezeichneten Welt, die Johnson
dem Leser empathisch mit auf den Weg gibt.
Facebook ist der Ort, wo Beziehungen "abgehandelt" werden und,
natürlich, jeder kleine Funken von Lächerlichkeit eines andere zu eigenen
"verbalen Heldentaten" (was natürlich nur Feige ist)
"ausgeschlachtet" werden. Shitstorms, Machtkämpfe, "starke
"Männer" (meinen die) mit coolen Sprüchen", Tristan muss am
eigenen Leib erleben, wie wenig vertrauenswürdig die Welt, zarte Gefühle und
Mädchen (nicht alle) in diesem pubertären Alter sind. "Digital
Zerrissen" wird nicht nur sein Brief von einer immer größeren Horde
gehässiger Kommentare, nein, digital zerrissen wird er als Person, als noch gar
nicht fertige Person. Mit dramatischen Folgen.
Was im Übrigen nur der Einstieg in diesen Roman darstellt, in dem die
Entwicklung einiger Charaktere je als Symbol für bestimmte Haltungen, Seite
für Seite vor Augen geführt wird. Und in dem drängend deutlich wird, wie
schutzlos, alleingelassen und den Wirrungen der Gefühle, vor allen denen
anderer "social media Verbundenen" jeder der Jugendlichen ausgeliefert
ist.
Fazit
Trotz des eher ruhigen Tons und trotz der sich auch mit manchen Längen
dahinziehenden Handlung lässt einen dieser Roman als Erwachsener nachdenklich
zurück und dürfte als Lektüre gerade auch pubertierenden Jugendlichen zu
empfehlen sein, um eine gewisse Distanz zu all dem Gerede und den halbstarken
Pöbeleien im Netz vielleicht aufbauen zu können. Unfassbar ist und bleibt es
dennoch, wie leicht Grausamkeiten mit Verve aufgegriffen werden, wenn sich
vermeintliche Opfer abzuzeichnen scheinen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 13. November 2017 2017-11-13 11:56:46