Kommissar Robert Marthaler erhält den Anruf eines Kollegen aus Südfrankreich.
Rudi Ferres lebt seit seiner Pensionierung in Marseillan-Plage am Étang de
Thau. Er hat die Akten eines ungelösten Falls von 1998 durchgearbeitet und eine
Spur entdeckt, die u. a. nach Frankreich führt. Ferres fühlt sich inzwischen
zu alt und zu müde, um selbst noch einmal zu seinen Ex-Kollegen nach Frankfurt
zu reisen. Der Fall Tobias Brüning verschlug damals selbst hart gesottenen
Kriminalbeamten die Sprache. Als Leiter der Sonderkommission arbeitete Ferres an
dem Fall praktisch Tag und Nacht; bald wurde er als Sonderling etikettiert.
Jeder Schritt des ermordeten Schülers ist in den Akten minutiös dokumentiert,
doch nicht alle Zeugen konnten damals gefunden werden. Marthaler ist nun hoch
motiviert, den alten Fall wieder aufzunehmen. Obwohl niemand gewusst haben kann,
dass Marthaler gerade in Frankreich ist, geben ihm sonderbare Vorfälle zu
denken. Jemand schient ein dringendes Interesse zu haben, Marthalers
Nachforschungen zuverhindern.
In Marthalers Abwesenheit steht die Stadt Frankfurt gerade Kopf. Die deutsche
Polizei ermittelt fieberhaft zu einem Attentat im Vorfeld des erwarteten
Obama-Besuchs (2013) mit mehreren Todesopfern. Eine Bäuerin in Deutschland
beobachtet währenddessen sonderbare Vorgänge. Auf dem Heimweg zu ihrem
abgelegenen Hof entdeckt sie zwei Kinder, die offensichtlich Angst vor ihr
haben. Als Louise Manderscheid vorsichtig Kontakt zu den Roma-Jungen aufnehmen
kann, zeigen die Kinder in ihrem Verhalten auffällige Zeichen von sexuellem
Missbrauch. Als ein weiteres monströses Verbrechen geschieht, scheint es auf
Menschenhandel und auf eine Verbindung zu Marthalers Fall von 1998 hinzuweisen.
Die ermittelnde Kriminalbeamtin vom Dezernat für organisierte Kriminalität
ist selbst Romni und für Louise glücklicherweise keine Unbekannte. Lizzy
Winterscheid ("nicht sehr groß, schlank und schrill") wird immer
gerufen, wenn so genannte Randgruppen betroffen sind und ihre Kollegen davor
zurückschrecken, sich evtl. politisch unkorrekt zu verhalten. Dem im
Verhältnis zu Frauen nicht gerade geschickten Marthaler habe ich zunächst
nicht zugetraut, dass er sich mit Winterstein zusammenraufen könnte. Doch ihr
gemeinsamer Ansatz scheint erfolgreich zu sein, den alten und den aktuellen
Fall und deren evtl. Verbindungen nach Frankreich zunächst unabhängig
voneinander zu verfolgen.
Die drei Handlungsfäden führen schließlich gemeinsam zu einem weiteren
monströsen Verbrechen in der Gegenwart, das sich auch heute erfahrene
Ermittler nur schwer vorstellen können.
Fazit
Abgesehen von der explizit geschilderten Gewalt an Kindern, die nicht jeder
Leser vertragen wird, spielt auch Jan Seghers 6. Marthaler-Roman stilistisch
und atmosphärisch wieder in der Oberklasse deutscher Kriminalromane. Marthalers
durchaus glaubwürdige Reisetätigkeit zwischen Deutschland und Frankreich
bildet darauf das Sahnehäubchen.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 07. November 2017 2017-11-07 11:45:38