Formen und Epochen
Macht man sich klar, dass jedes Jahr allein im deutschsprachigen Raum ca.
90.0000 Bücher, Literatur, neu erscheinen und macht man sich ebenso klar, dass
"sich Geschichten erzählen" zur "Grundausstattung"
menschlicher Kommunikation gehört, als Ausdruck seiner Selbst, als Mittel zur
Informationsvermittlung, selbst in der "reinen Literatur" dann
durchaus noch hier und da mit pädagogischen Absichten versehen, oder nur als
Ausdruck einer Zeit, einer Befindlichkeit, aber auch als Mitteilung
"zeitloser" Wahrheiten oder eben nur zur reinen
"Unterhaltung", dann ist umgehend klar, dass der vorliegende, recht
schmale Band nicht den Anspruch hat, den Leser differenziert und ausführlich in
die Einzelheiten der Literatur oder der unübersehbaren Zahl an Autoren
hineinzuführen.
Wohl aber gelingt es Gehlhoff in sehr kompakter Form, dem Leser Grundwissen
über die wichtigen Epochen der Literatur und die zentralen Formen derselben
verständlich und informativ vor Augen zu stellen. Von den ältesten,
schriftlichen Texten der Menschheit über die Antike ins Mittelalter, die
beginnenden "Hochzeiten" der Literatur in ihrer je besonderen
Ausprägung im 16., 17. Und 18. Jahrhundert mit einem dann deutlich gesetzten
Schwerpunkt auf "das lange 19. Jahrhundert", die vielfachen
Experimente und "großen Romane" bis 1990 und ein
"Statusbericht" der Gegenwart bilden die chronologische,
"äußere" Rahmung der Darstellung.
Wobei von Beginn an von Gehlhoff begrifflich geklärt wird, dass ihr Augenmerk
auf "Weltliteratur" liegt (auf den Spuren Goethes mit seinem Ansinnen,
"sich in den Literaturen anderer Völker umzusehen"). Was steht
"über" dem dynamischen und sich ständig veränderndem Bereich der
"Nationalliteratur"? Was befruchtet einander aus den verschiedenen
Kulturen heraus und setzt "Wegmarken" für ganze Genres?
Das ist, gerade im Blick auf die ältesten Texte, fast am einfachsten zu
beantworten. Religion, Welterklärung, Sinnfrage, das langsame Entstehen klarer,
sozialer Normen von Mythen der Menschwerdung hin zu Geboten des Miteinanders,
von der Suche nach äußerem und inneren Heil hin zu individuellen
"Gestalten", die exemplarisch solche Suche (und mögliche Antworten)
in sich tragen. Das Alte Testament, das Gilgamesch-Epos, aber auch nach und nach
Poesie und Dichtung (Das "Hohelied" in der Bibel" bis hin zu
Propheten und "Welt- und Gotterklärern". Mithin könnte man sagen,
dass alle Grundthemen der Literatur bereits in diesen alten Schriften gesetzt
sind und somit darin echte "Weltliteratur" bereits zu finden ist.
Neue Gattungen traten hinzu ("Satiren"und "Fabel", Lyrik und
Diskurse der Weisheit in der Philosophie). Gattungen, die sich weiter und weiter
differenzierten, wie in den Heldensagend es Mittelalters, Artuslegende und
Alexander-Roman, sich grundlegende Erkenntnisse mit unterhaltsamen Geschichten
und religiöser Sinnsuche samt der Abgrenzung von "Gut" und
Böse", "Ehre und Niedertracht" ihre Bahn brachen.
Klassik, Briefroman, Minnelied und Liebesroman, das "Jahrhundert der
Enzyklopädien" oder auch die Entstehung literarischer Salons, die
"Romantik" in Deutschland, die "Durchbrechung der Formen"
durch E.T.A. Hoffmann mit seinen Einführungen der Metaebenen. Das Aufkommen und
der Siegeszug von "Short-Stories" oder die strikte Abbildung
gesellschaftlicher Moral im viktorianischen Roman, alles findet sich sauber
aufgeführt und grafisch ansprechend mitsamt farblich abgehobener
Zusammenfassungen im Buch wieder. Wobei es Gehlhoff gelingt, die jeweiligen
"Zeitenwenden" (so z.B. das neue Menschenbild des Darwinismus in der
Form einer Literatur ungebrochenen Fortschrittsglaubens im Kontrast zum
"Fin des Siécle" als "Reine Ästhetik", wie mit einem Ruck
im "Symbolismus" umgesetzt, in dem das Symbol die Botschaft ist). Bis
hin zur "Befreiung Afrikas" auch in der Literatur und die
asiatische-literarische Auseinandersetzung in der reibungsvollen Spannung von
Tradition und Moderne, sozialer Einbindung und individuelle Freiheit. Selbst die
ganz eigene, der jüngeren Zeit zuzurechnende Form der "Graphic
Novel" findet ihren Platz in dieser informativen und zugleich
unterhaltsamen Darstellung der Literaturgeschichte "an allen Ecken der
Welt".
Fazit
Hervorragende Überblickslektüre
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 14. Oktober 2017 2017-10-14 13:01:28