Im ganz eigenen Stil voller Geschichten und Einblicke
Eine unterhaltsame Abwechslung zwischen Ereignissen, Erlebnissen aus der
Gegenwart der letzten Tour (samt vielfachen Einblicke in Garderoben, Duschen,
After-Show Partys und Auftritten von "Rammstein") und einem zweiten,
chronologischen Faden, an dem sich die gesamte Geschichte der Band, besser des
"Ereignisses Rammstein" nachvollziehen lässt, bietet der Keyboarder
(oder auch hier besser "Sample Verwalter") der "neuen deutschen
Härte", Flake, in seinem zweiten Buch. Durchaus assoziativ angelegt und
doch nicht ohne innere Logik erzählt Flake munter drauflos. Und was man bei
manch anderem für reines "Image" halten würde, beginnt man, diesem
dünnen Kerl auf der riesigen Bühne mit seinem glitzernden Anzug auf dem
Laufband vor den Keyboards inmitten martialisch anmutender
"Musiker-Gestalten" Schritt für Schritt zu glauben.
Dass da einer beharrlich, mit naiven Anteilen, oft wie ein "staunendes
Kind" durch die Musikgeschichte läuft (manchmal sich auch verläuft), aber
völlig authentisch "sein Ding" macht. Seien es die "Abgabe
hochprozentiger Inhaltsstoffe", die einfach zu viel konsumiert wurden vor
dem Konzert diskret auf der Bühne, sei es das häufige Suchen der anderen
Kollegen inmitten schmuckloser Hallengänge vor und nach Konzerten.
Wenn gerade der Keyboarder nun ob seiner schmächtigen Figur und ob der
Rollenverteilung in der Band für alles Derbe herzuhalten hat (hier erfährt der
Leser auch, wie es Schritt für Schritt zu den Bühnenkostümen, dem Sound und
der hervorstechenden Schminke der Musiker kam), in einem Kessel "gebraten
wird" (und sich eh nur mit Mühe ernsthafter Brandverletzungen von
hingebungsvoll eingesetzten Flammenwerfern erwehren kann) und dann unbedarft
sich aus dem Kessel herauszieht, indem er sich am Rand festhält (Kessel = Stahl
plus Flammenwerfer gleich leicht rot glühend am Rand) und danach mit komplett
verbrannten Händen (natürlich) mit allem Einsatz das Konzert zu Ende bringt
(Mitleid gibt es eh kaum innerhalb der eingeschworenen Bande
"Rammstein"), dann kann der Leser eben durch Flake's Augen erleben,
das im Lauf der Jahre immer und immer wieder eine Lebenshaltung auf die Bühne
gebracht wurde, die mit Einsatz gelebt wurde (und in Teilen noch wird).
Neben plastischen Schilderungen von Hosenhinterteilen mit Klettverschluss, die
lässig abgerissen werden können ("Bück Dich") oder pyromanischen
Exzessen und Mutproben auf der Bühne kommen auch die kleinen Geschichten am
Rande nicht zu kurz. Wer alles dazu gehört, wie sich ein solcher
"Koloss" an Touren organisiert, was Till Lindemann Ärztinnen
mitzuteilen hat, die ihm bei Brandwunden hinter der Bühne helfen wollen und
warum in der Anfangszeit konkreter Inszenierungen (wiederum "Bück
Dich") bestens vergorene Milch einen strengen Geruch nach Buttersäure
über Bühne und Publikum legte.
Wie das war, als die DDR aufhörte zu existieren und sechs neugierige
Jungmusiker die Welt entdeckten, was es hieß, in Kneipen, kleinen Clubs oder
"Kleinstbühnen" vor einer Hand voll Zuhörer zu spielen und
überhaupt erst den eigenen Stil, das eigene Auftreten, den eigenen Weg zu
entdecken, eingepfercht in kleinen Transportern bis hin zu den Suiten der
Gegenwart und den gigantischen Konzerten, das alles liest sich in einem Rutsch,
flüssig und nicht selten leicht schräg im Buch.
Fazit
Eine Empfehlung nicht nur für "Rammstein" Fans (für die sowieso),
sondern eine Entdeckungsreise gerade auch für der Band und deren Musik
distanziert verharrender Leser. Denn ganz nebenbei gelingt es Flake, auch die
musikalischen und textlichen Intentionen fast unbemerkt näher zu bringen. Was
sich eben alles nicht in "Ich tu Dir weh" erschöpft.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 05. Oktober 2017 2017-10-05 12:51:26