Zurück ins Leben
Dietrich Bonhoeffer, der breiten Masse wohl eher als Widerstandskämpfer im
dritten Reich und "Ausbilder" von Pfarrern der bekennenden Kirche
bekannt, war zunächst und im Kern Theologe und kritischer Wissenschaftler (mit
21 promoviert, wenig später habilitiert). Der seine "Lehre von der
Kirche" auf den Kernsatz zusammenfassen konnte: "Kirche ist immer nur
Kirche, wo sie Kirche für andere ist".
Konkret bedeutet dies, nach Jesu Vorbild, beständig "öffentlich
präsent" zu sein (bis auf je einige überschaubare Zeiten des Rückzugs
und Gebets). Fassbar. Ansprechbar. Mitten drin im Leben, auf den Plätzen.
Heilend, hörend. Die "gute Botschaft" nicht nur im Mund, sondern auch
im Leben vorzuzeigen und vor zu leben. Mitten ins Leben. Für andere solidarisch
einstehen. Den Menschen Begleitung und nicht Dogmatik anbieten. Die
"Hinwendung ins Leben" als Auftrag verstehen und nicht "das Leben
in die Kirche"" zwingen wollen. Das waren Bonhoeffers Konsequenzen aus
seinen theologischen Überlegungen heraus. Eine klare Ausrichtung, die man auch
diesem "Praxis-Buch" der evangelischen Pfarrerin Ute Pfeiffer ohne
Weiteres zu Grunde legen kann. Was Pfeiffer explizit im Buch auch benennt du im
letzten Kapitel die Verbindung zu Bonhoeffer, zur theologischen Grundlegung und
zu den praktischen Konsequenzen aus all diesem zieht.
Konsequenzen, die immer und immer wieder bedeuten, erst gar keinen
"theologischen Elfenbeinturm" aufkommen zu lassen und einer
"satten Zufriedenheit" von Gemeinden, geborgen in ihren Häusern,
dadurch entgegen zu wirken, immer wieder den "Weg nach draußen, zu den
anderen" anzutreten. Im Gespräch. Im Einsatz für das konkrete
Stadtviertel, die Lebensumgebung im engeren Sinne. Gesellschaftlich nicht zu
schweigen, sondern das Evangelium immer wieder "mitten in die
Situationen" zu tragen. Ansprechbar zu sein und zu bleiben.
"Die Kirche, das ist, in ihren täglichen Lebensvollzügen, nicht die
Institution, sondern eine konkrete christliche Person". Womit nicht nur
(aber auch) der Pfarrer, die Pfarrerin gemeint ist, sondern, gut protestantisch,
die gesamte "Gemeinde" in die Pflicht genommen wird. Im Übrigen nicht
für einen vielleicht "moralinsauren" Lebensstil oder für den
erhobenen Zeigefinger auch im privaten Bekanntenkreis, sondern eher schon für
eine ganz einfache, praktische Mitarbeit, ein Zugehen auf das soziale Umfeld und
die dort herrschenden Grundfragen und Bedürfnisse. Ohne dabei zu zögern, den
eigenen Glauben zumindest "zu bekennen" und nicht zu verschweigen. Als
Motiv und Antrieb des eigenen Handelns. Wie Pfeiffer es nennt: "Öfter mal
"outdoor" gehen".
Der eigene, persönliche Weg wird dabei im Buch ebenso benannt, wie theologische
Grundfragen (Pate-Sein. Wobei nicht alle möglichen motivierten Paten heutzutage
Mitglied einer Kirche sind. Was tun?). Eine Hinwendung zur Jugend in ihrem
"So-Sein" und weniger, wie man diese gerne hätte. Bis hin zu
brisanten politischen Fragen von Sozialneid, AfD-Sympathisanten und anderen
Herausforderungen der Zeit. Insgesamt in legerer Sprache fesselnd verfasst
bietet Ute Pfeiffer ein reflektiertes und "anders als gewohntes"
Pfarrerbild dar, das immer im Buch bodenständig konkret und praktisch
verbleibt.
Fazit
Eine interessante Lektüre über jene Kräfte, für die die evangelische Kirche
im Kern steht und wie diese in der Gegenwart sichtbar wieder in der Breite
freigesetzt werden können.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 05. Oktober 2017 2017-10-05 12:44:46