Ein guter Einstieg in die Literatur Thomas Manns ist das kurz vor seinem Tode,
1954 veröffentlichte Werk, der Schelmenroman "Bekenntnisse des
Hochstaplers Felix Krull".
Erzählt wird die äußerst amüsante, mit feiner Ironie durchwobene
Lebensgeschichte eines weltgewandten Lebenskünstlers; "...böse Zungen
mögen gar sprechen von der eines Betrügers, genauer... des Betrügers
schlechthin: Felix Krull - und zwar von niemand geringerem als von diesem
höchst selbst!"
Sicher, die Syntax ist kompliziert, setzt voraus, dass sich der Leser darauf
einlässt und erfordert Konzentration und Geduld; - in ihrer Schönheit, der
Poesie ihrer vollendeten Komposition entschädigt sie jedoch vollkommen dafür.
Und nicht nur durch diese. Der geneigte Leser wird, abgesehen von dem herrlichen
Plot, verwöhnt mit einer Prise (gut verständlicher) Philosophie und
Lebenswahrheiten über menschliches Zwischeneinander und über die Liebe, bei
denen man sich zurücklehnt und sie sich auf der Zunge nocheinmal zergehen
lässt. Ein kleines Beispiel an dieser Stelle:
"Nur an den beiden Polen menschlicher Verbindung, dort, wo es noch keine
oder keine Worte mehr gibt, im Blick und der Umarmung, ist eigendlich das Glück
zu finden, denn nur dort ist Unbedingtheit, Freiheit, Geheimnis und tiefe
Rücksichtslosigkeit. Alles, was an Verkehr und Austausch dazwischenliegt, ist
flau und lau, ist durch Förmlichkeit und bürgerliche Übereinkunft bestimmt,
bedingt und beschränkt."
Fazit
"Der Memoiren erster Teil" lautet der Untertitel. Und in der Tat, ist
es bedauerlicherweise weder Felix Krull, noch Thomas Mann vergönnt gewesen,
diese Erzählung zu beenden. Diese Tatsache mag Anteil daran haben, dass das
Geschehen zum Ende hin, im letzten viertel, ein wenig zu zerfließen scheint und
ins Stocken kommt. Allzulang lässt Thomas Mann seinen Felix Krull in Lissabon
verweilen, zu ausführlich über die Liebe philosophieren.
Aus diesem Grunde komme ich nicht umhin "nur" 7 Sterne zu geben,
wenngleich es, wie oben erwähnt, auf der Hand liegt: Das Ende des Romans, ist
nicht auch das Ende der Geschichte, sondern lediglich als der Abschluß einer
der zahlreichen Episoden aus denen die Erzählung besteht, zu verstehen.
"Der Memoiren Erster Teil ... - Fragment immer noch, aber Fragment wird das
wunderliche Buch wohl bleiben ... Es ist gar nicht auf ein Je-damit-Fertigwerden
angelegt, man kann daran immer weiterschreiben, weiterfabulieren, es ist ein
Gerüst, woran man alles mögliche aufhängen kann, ein epischer Raum zur
Unterbringung von allem, was einem einfällt und was das Leben einem
zuträgt." Aus: Thomas Mann, Rückkehr (1954)
Vorgeschlagen von Andreas Lindemann
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veröffentlicht am 01. Mai 2002 2002-05-01 00:02:20