Hervorragender Thriller
Egal, wo man hinschaut, von der Story her, von den differenziert und in ihren
Stärken, vor allem aber auch in ihren Schwächen und dunklen Seiten
differenziert gezeichneten Figuren bis zur Gestaltung der einzelnen Szenen
mitsamt präzise getroffener Atmosphäre, Wetterlagen, Tageszeiten, der knappen
und treffenden Beschreibung von Räumen und Begegnungen, bis ins Detail hat
Elisabeth Herrmann ihren neuen Thriller um die "Reinigungsfachkraft"
mit der besonderen Vergangenheit, Judith Kepler, gestaltet. Was zunächst wie
ein einfacher "Cleaner" Auftrag am Schauplatz eines vermeintlichen
Selbstmordes in einer diskreten Finanzverwaltung vermögender Kunden wirkt, wird
sich ebenso zu einem gefährlichen Einsatz und ein tiefes Hinabtauchen in die
eigene Vergangenheit für Judith Kepler erweisen, wie die ebenfalls zunächst
rein zufällige "Begegnung am Rande" mit der kleinen Tabes.
Beide Handlungsstränge führen in hochaktuelle und brisante gesellschaftliche
Themen, bilden die Zerrissenheit der Personen und der wohl ganzen Gesellschaft
spielerisch griffig ab und lassen es auch zunehmend während der Lektüre an
Spannung nicht mangeln. Die sich zum Ende hin zusehends erhöhen wird, wenn ein
drittes, ebenfalls brisantes, hochaktuelles Thema der internationalen Politik.
(Oder sollte man gleich "Krieg hinter den Kulissen" sagen) hinzutritt
und sich langsam, aber sicher die breiten, internationalen Verflechtungen hinter
all den Strategien und Plänen konkretisieren.
Wer ist Freund, wer ist Feind? Warum bietet dieser Mann Namens Larcan soviel
Geld für eine Infiltration der Finanz-Firma? Was hat es mit Tabeas Vater in
diesem merkwürdigen Dorf in Brandenburg auf sich? Woher kennt Larcan sovielmal
Details aus Judiths vergangenem Leben? Was hat der BND damit zu tun und wie
passt jener Mann in das ganze Bild hinein, dem Judith Kepler ihr Herz geschenkt
hat (und damit ziemlich auf die Nase gefallen ist). Und warum ist es so
lebensgefährlich, auch für einen Jungen Hacker, aussteigen zu wollen aus
dieser zwar clever geplanten, doch in den Motiven eher simpel wirkenden
Infitratione?
Hinter so manch rauen Schalen (bei Judith selbst, aber auch bei ihrem Chef)
verbergen sich Mut und Aufrichtigkeit, hinter manchen "sauberen"
Fassaden von mächtigen Büros und akribisch gepflegten Häusern im Dorf ist
Dunkles zu finden und über allem schwebt die Frage, was genau damals mit
Judiths Eltern geschehen ist, bei denen vor allem ihr Vater als erfolgreicher
Agent der DDR eine tragende Rolle gespielt hat.
Fazit
Hacker, Nationalisten, Geheimniskrämer, Agenten mit klarer und harter Kante,
die Welt "ganz oben" (wo alle anderen sich gar nicht schnell genug und
tief genug bücken können) und "ganz unten" bei Flüchtlingen
("Fidschis" genannt von manchen Gruppen im Buch), farbenfroh, düster
und atmosphärisch dicht wechselt Herrmann die Schauplätze und Perspektiven und
erschafft am Ende ein in sich geschlossenes und bestens zu lesendes
Verschwörungsgebilde, dessen Lektüre flüssig und spannend Seite für Seite
füllt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 12. September 2017 2017-09-12 13:02:02