Theorie und Praxis männerspezifischer Psychotherapie
"Gibt es männerspezifische Leidenszustände? Wenn aj, wie entstehen wie,
was hält sie aufrecht?".
Das sind die Grundfragen des Buches, die sich nach den grundlegenden
theoretischen Betrachtungen des ersten Teils des Werkes dann weiter entfalten in
Richtrungen eines "männerfreundlichen Therapiesettings" und einer
therapeutischen Dynamik, die an männliche Problemlösungsstrategien
anschließt.
Wobei Grossmann ebenso auf eine Grundproblematik eingeht (und diese sehr klar
herausarbeitet), dass vielfache "Begleiterscheinungen" und
"Grundanliegen" der Psychotherapie mit einem "klassischen"
männlichen Selbstverständnis kaum einhergehen.
Preisgeben privater Erlebnisse, über sein "Inneres" überhaupt und
dann sogar fließend reden, eine "nichtsexuelle Intimität", die sich
im therapeutischen Prozess fast zwangsläufig einstellt, das Offenbaren von
Verletzlichkeiten, das Zeigen von Schwäche.
Die Liste lässt sich auch mit wenig Fantasie noch lange weiter fortsetzen.
Dennoch begeben sich immer mehr Männer, statistisch gesehen, in Therapie. Und
auch das hat Gründe, die Grossmann in großer Ruhe fundiert vorlegt, wie er
sich im Gesamten der Darstellung treffsicher formulierend zeigt.
In einer Zeit, in der traditionelle Männlichkeitsvorstellungen seit längerem
bereits erodieren, in der ein "neuer Rahmen der Männlichkeit" nicht
entsteht, sondern das Suchen nach einer eigenen Haltung überaus
individualisiert vonstattengeht, da ist Unsicherheit im Rollenbild
vorprogrammiert, das ist klar, dass gerade auch Männer in die Reflexion
eintreten, fast durch die Umstände gezwungen werden.
"Viele Dominanzstrategien sind mittlerweile kriminalisiert", viel an,
bis vor Kurzem noch als "authentischem Männlichen Verhalten" steht
allgemein in der Kritik. Dem korrespondiert, wie Grossmann verständlich
aufzeigt, ein erhebliches "Mehr" an Suchbewegung.
Sehr konkret und anschaulich führt Grossmann nach Rahmung des Themas und
inhaltlicher Ausrichtung verschiedene spezifisch männliche
"Leidenszustände" an, die dem Leser umgehend ein griffiges Bild eben
dieser spezifischen Ausrichtung vermitteln.
Ganz hervorragend gelingt es in diesem ersten Hauptteil des Werkes, den
"Bezugsrahmen männlicher Problemstellungen" differenziert
herauszuarbeiten und das spezifisch Männliche konkret zu benennen.
Vielfach (und strukturell gut geordnet im Ablauf) geht Grossmann im zweiten
Hauptteil dann auf die therapeutische Praxis ein. In einzelnen,
nachvollziehbaren und je durch griffige Beispiele aus der Praxis illustriert
entfaltet Grossmann darin ein spezifisch männliches Setting und ein
spezifisches Instrumentarium, in denen auf der Basis des systemischen Ansatzes
und stark lösungsorientiert ausgerichtet vielfache Impulse für die praktische,
therapeutische Arbeit zu finden sind.
All dies lässt Grossmann im letzten Teil hin kulminieren zu einer sehr
verstehenden Haltung der "Symptome männlicher Traurigkeit", exzessiv
Trinken, Suizidalität, gewalttätiges Verhalten, sexuelle Problemstellungen.
Momente, an denen die Wandlung des traditionellen Männlichkeitsbildes genau
abzulesen sind, an denen sich dann aber auch die "neue Hilflosigkeit"
zeigen und festmachen lassen kann. Und was man therapeutisch an Begleitung genau
in diesen Hinsichten entfalten kann, um solche "Wankungen"
bestmöglich zu begleiten.
Fazit
Eine im Stil sehr verständlich gehaltene Darstellung, die vielfach neue Impulse
in die psychotherapeutische Praxis bringt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 24. Mai 2016 2016-05-24 15:28:30