Anregende Unterhaltung mit etwas zu viel Offensichtlichkeit
Da meint es einer ernst. Mit seiner "Rache". Nicht nur, dass
nacheinander gestandene Beamte, die alle ehemals der "Gruppe 6" des
BKA angehörte, auf mehr oder weniger grausame Art und Weise den Tod finden,
nein, genau diesen Männern und Frauen wurde zuvor ein enges, nahestehendes
Familienmitglied genommen. Wobei der Täter weder vor Ehefrauen noch vor Kindern
zurückschreckt. Zudem verbindet die Gruppe der Beamten ein Geheimnis, dass
allen so schützenswert erscheint, dass sämtliche Ermittlungen in den
verschiedenen Fällen in dem Augenblick energisch behindert werden, wo sie der
"Gruppe 6" zu nahekommen könnten. Sei es Sabine Nemez,
Musterschülerin von Maarten S. Sneijder (aktuell vom Dienst suspendiert), sei
es deren enge Kollegin Tina Martinelli. Beiden droht, der Fall entzogen zu
werden.
Was vielleicht das geringere Übel darstellt, vertraut man Sneijders Worten, der
auf seine bärbeißige und misanthropische Art und Weise beide Frauen warnt. Und
dann doch, wider Willen, eingreifen muss. Weil man eben nicht auf ihn hört. Was
er selbst zu verantworten hat, denn er hat ja genau die notwendige, aber auch
gefährliche Hartnäckigkeit zumindest in Sabine Nemez hineingepflanzt und
gehegt und gepflegt. Schon der Prolog zeigt dabei auf, dass Gruber weiterhin
rasant und spannend zu erzählen versteht. Mit der Einfügung einer zweiten
Erzähllinie um "Hardy", frisch aus dem Gefängnis entlassen und
getrieben von dem Willen, damalige Ereignisse dringend noch klären zu müssen,
erweitert Gruber dabei geschickt die Perspektive für den Leser um eine leicht
zeitlich versetzte Handlung und Rückblicke in die fernere Vergangenheit.
Wobei gerade in dieser Erzähllinie doch im Lauf der Ereignisse zu offenkundig
Spuren gelegt werden, was das Motiv hinter den Taten sein könnten. Auch wenn
die ein oder andere Wendung in die Ereignisse kommen wird, zumindest dem
Anschein nach ist dem Leser zu früh klar, in welche Kreise das
"Komplott" reicht und wer wohl verantwortlich sein wird. Allerdings,
ein wenig offen bleiben sollte man schon für die ein oder andere neue
Information und Wendung zum Ende der Lektüre hin.
Vorangetrieben und ergänzt wird die Handlung dabei zudem durch die
differenziert agierenden und gezeichneten Figuren, die sich nicht nur in der
immer wieder erfrischenden Härte und Unfreundlichkeit Sneijders seinen
Mitmenschen gegenüber erschöpft. Sowohl die vermeintlich "rechtschaffene
Seite" der BKA Beamten als auch die "Connection" früher Jahre um
Hardy herum, wie auch die beiden weiblichen Ermittlerinnen, die irgendwann
"hinter den Kulissen" agieren müssen, strahlen Plastizität und
Lebendigkeit aus. Besonders gelungen sind dabei die "taube Nora" mit
ihrer aufrechten Art und, ein Glücksgriff, "Krzysztof", den Sneijder
in Ermangelung anderer Optionen als "Assistenten" an seine Seite holt
(eher zieht). Ob Boxring oder Swimmingpool, da kommen ganz eigene
Verhörmethoden ins Spiel, die mit Härte, aber auch lakonischem Humor dem Buch
gut zu Gesicht stehen.
Das Sneijder dabei menschliche Regungen zeigt und um einen "alten
Feind" mehr zu trauern versteht als um "unzuverlässige Freunde",
dabei aber immer ganz flüssig alles um sich herum zur Weißglut bringt
(Herrgott, wie kann man bloß so stur sein" ist da noch das Mindeste),
sorgt immer wieder für eine gut gesetzte Würze an Dialogen in den Abläufen.
Bis hin zum "Romeo", in dem Sneijder sich (in allen Ehren natürlich)
zu entspannen pflegt (was kein billiges Bordell ist, keineswegs. Zumindest nicht
billig).
Fazit
Alles in allem flüssig und mit Tempo erzählt, insgesamt aber eher nur leidlich
spannend, dafür mit anregenden und gut ausgestalteten Figuren versehen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 04. September 2017 2017-09-04 12:39:03