Komprimiert, aber genau auf den Punkt
"Fast eine Minute wälzt Schweinsteiger sich am Boden, kommt mühsam hoch,
wankt vom Platz - doch dann ist die Wunde verklebt, Schweinsteiger wieder auf
den Beinen".
Eine der eindrucksvollsten Szenen der Fußballgeschichte, wenn es darum geht,
wie ein Spieler, der Kapitän zudem, mit leidensvoller Vorgeschichte beinhart
nicht nachgibt, komme was da wolle. Endspiel 2014 eben, Deutschland –
Argentinien. Mitsamt der Vorgeschichte in knappen, aber emotionalen Worten, dass
die Spieler des Gegners nicht nur passiv beteiligt waren am Zustand
Schweinsteigers. Was somit auch genau auf den Punkt bringt, wie sich da mit
allen Mitteln bekämpft wird, auch mit unlauteren. Und somit auch klarmacht, wer
in den Augen der argentinischen Spieler letztlich die entscheidende Figur dieses
Spiels von Beginn an war. Ein großes Spiel, keine Frage.
Aber wer erinnert sich noch an 1950? Dass dort die USA an einer WM bereits
teilnahmen? Und England besiegten? Einer Namens Gaetjens, Tellerwäscher im
Nebenberuf. Dem das Siegtor wenig Glück brachte. Auch das Geschichten, die der
Fußball erzählt. Auf dem Platz wie David gegen Goliath, das Tor wie vernagelt
für die Engländer und neben dem Platz menschliche Lebensgeschichten, die
exemplarisch für nicht wenige andere Leben stehen und durch den kurzen (oder
längeren) Ruhm, bestens ausgeleuchtet, die Runde machen um die Welt zu ihrer
Zeit. Was, natürlich, immer auch politische Dimensionen hat. Was ganze Nationen
bewegt, wie Brasiliens Niederlage gegen Deutschland 2014 mit 1:7. Aber auch ganz
direkt und viel klarer in den Folgen, wenn Stalin sich auf dem "Roten
Platz" ein Spiel "vorspielen" lässt und eine renommierte
Mannschaft lieber kneift.
"Der Ball könnte als Querschläger gegen die Mauer fliegen. Oder gar
Stalin treffen. Das wäre ein Todesurteil. Aber schon Stalin zu langweilen, kann
gefährlich sein". Wer ahnt heute noch, dass auch der "König
Fußball" hier und da in Verlegenheit kam, wie ein Gladiatorenkampf im
alten Rom ängstlich nach dem Daumen des "Imperators" zu schielen?
Wobei im Übrigen, auch hier reicht die Geschichte des einen Spiels von 1940
weit über den Fußballplatz hinaus, 10 Jahre Straflager wie nichts verhängt
werden und doch auch dort das Talent fürs Spiel segensreich wirken kann.
Günter Netzer, der sich einwechselt (1973, "Rauchen macht Gesund",
1922, das triumphale Ereignis der, oft als beste deutsche Mannschaft aller
Zeiten, bezeichneten Europameister von 1972 in Wembley gegen England. Oder der
"Schuss in die Wolken" von Hoeneß 1976, diese bekannten und bis heute
noch gut erinnerten Spiele ergänzt Eichler in bester Form um völlig unbekannte
Ereignisse, die dennoch (wie auch die "großen Spiele und Spieler")
immer auch exemplarisches für das "ganz normale Leben" in sich
tragen. Was Eichler in jedem der 90 Spiele auf den Punkt herausstellt und dabei
durchgehend "im Fluss" bleibt.
Trocken oder gar langweilig ist dieses Werk in keiner Weise. Ob Ligaspiel in
einem "Winkel" der Welt oder auf der "großen Bühne" von
Champions-League, Kontinental- oder Weltmeisterschaften (wer erinnert sich nicht
an die erste Visitenkarte Pep Guardiolas in München mit seinem FC Barcelona?
Aber wer erinnert sich an "die stumme Stadt", die Rio schon 1950 für
einen Moment lang war (und nicht erst 2014)?
Fazit
Interessant zu lesen, schön zu erinnern, den "magischen Punkt" jedes
der Spiele herausarbeiten und über die konkreten 90 oder 120 Minuten dann
"in das Leben hinein" weitererzählen, das versteht Christian Eichler
bestens.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 30. August 2017 2017-08-30 15:13:44