Nachdem er die Schule abgebrochen hat, liegen vor dem 17-jährigen Maik
langweilige, heiße Sommerwochen. Urlaub kann sich seine Mutter nicht leisten,
und ihr ist es auch egal, wo sie ihre Keramiken töpfert. Notgedrungen freundet
Maik sich mit Jenny an, der einzigen Person im Dorf, die nicht uralt auf ihn
wirkt. Aus Maiks Sich wirkt Jenny höchst gewitzt. Weit davon entfernt, in sie
verliebt zu sein, findet er Gefallen an einer fitten jüngeren
Ersatzschwester.
Unter den besorgten Blicken einiger Erwachsener, weil ein fast erwachsener Mann
mit einer Zwölfjährigen herumzieht, verbringen die beiden Jugendlichen einen
aufregenden Sommer mit Touren auf Maiks Moped. Selbst Maik muss sich wundern,
welche Freiheiten Jenny genießt. Von Maiks unentschlossener Art - er handelt
weder wie ein Kind noch wie ein Erwachsener - fühlt sich Jenny zunächst
überfordert. Sie erkennt, wie stark Maik darunter leidet, außer einem
jüngeren Mädchen keine Freunde zu haben. In ihrer neuen Rolle als Maiks
platonische Freundin fühlt Jenny sich plötzlich erwachsen und spricht auf
Augenhöhe mit ihrer Mutter. Sie könnte sich wunderbar frei und toll fühlen,
würde nur ihre Mutter nicht alles problematisieren, was im Dorf gerade
passiert. Durch Mutters Worte blättert vom Glanz dieses wunderbaren Sommers in
Freiheit gleich wieder etwas ab.
Die Wege der beiden Jugendlichen kreuzen die von Arno und Caren, der alten
Ingetraut und das komplizierte Verhältnis zwischen Großbauer Helmut und seiner
behinderten Tochter. Arno handelt mit Frauen und Autos und pflegt Kontakte zu
mehr als verdächtigen Geschäftspartnern. Wenn sich Erwachsene wie Kinder
verhalten, ist da etwas Gefährliches dran, stellt Jenny fest. Arno und seine
Frau müssen ihren Traum vom idyllischen Landleben begraben, das inzwischen
wie ein Sarg auf sie wirkt. Wenn ihre Kinder mit ihren iPads sowieso nur drin
hocken, wird es vermutlich egal sein, wo die Familie lebt.
Die Freundschaft zwischen Maik und Jenny könnte wie der Stoff für einen
Jugendroman wirken, lauerten nicht in beklemmend düsterer Atmosphäre die
Probleme der Erwachsenen. Mit alten Dorflinden, Dorfteich, einem geschlossenen
Lebensmittelladen und einer nicht besetzten Pfarrerstelle schafft Katrin Seddig
das Setting für ein zeitgemäßes Dorf samt seinen Zuwanderern aus der Stadt
und deren Illusionen vom Landleben. Neben der anrührenden Freundschaft der
beiden Jugendlichen und dem Verhältnis zwischen Jenny und ihrer Mutter hat mich
die Figur der vereinsamten Ingetraut stark beeindruckt, die ein halbes
Jahrhundert deutsche Geschichte auf dem Buckel trägt, bis zurück zum
Kriegsende und der Besetzung Norddeutschlands durch die Briten. Wenn Maik wie
ein aus dem Krieg Heimgekehrter an Ingetrauts Tisch sitzt, hat er die richtige
Person gewählt, die keine Anforderungen an ihn stellt.
Fazit
Ein gewitzter Dorfroman mit einem großem Vielleicht am Ende, in dem das
Heranwachsen und das Wachsen von Selbstvertrauen eine entscheidende Rolle
spielen.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 18. August 2017 2017-08-18 06:46:28