Ein leidenschaftliches Plädoyer für einen zentralen Wert des menschlichen
Lebens
"Freie Märkte, freier Handel, freie Wahlen, freie Medien, freie Gedanken,
freie Rede, freier Wille. Die Sprache der Freiheit zieht sich durch uns Leben
und formuliert dabei die drängendsten Probleme unserer Zeit. Freiheit ist ein
mitreißendes Ideal, das im Mittelpunkt unserer Vorstellung von menschlicher
Würde und der Vision von einem erfüllten und sinnvollen Leben steht".
Einleitende Sätze, die den Leser sofort in medias res führen, die den Blick
auf die Geschichte öffnen, die ja immer auch, zumindest in der Neuzeit, eine
Geschichte um und für die Freiheit ist. Eine Freiheit, die ebenso immer auch
bedroht war und ist. Einerseits durch Kräfte, die "Allein-Herrschen"
wollen und somit immer die Freiheit (gerade die "der anderen")
bedrängen. Anderseits ebenso immer auch durch "Fakten". Die
"Lotterie der Geburt", die Martinez bestens im Buch erläutert (die
dann eben auch eine "Lotterie" von Freiheit und / oder Wohlstand ist).
Bedroht auch von den "Fakten zum Überleben", denn wenn Freiheit
alleine dadurch immer mehr eingeschränkt wird, dass aufgrund prekärer Lebens-
und Einkommensverhältnisse mehr und mehr Zeit für das Überleben aufgewendet
werden muss und ebenso mehr und mehr "Geldgebende" Mächte über das
eigene Leben und den eigenen Weg entscheiden, dann ist Freiheit (und das war nie
anders) ein "gefährdeter Wert".
Dessen Fragilität man seit Jahren hautnah miterlebt durch Wirtschaftskrisen,
explodierende Finanzmärkte, Flutung der Welt mit Geld, dass 90 Prozent der
Bevölkerung nicht erreicht, kriegerische Krisen, Flüchtlingsströme,
Hungersnöte, ultra-konservative Bewegungen der Isolationen und vieles mehr.
Aber Freiheit ist eben auch ein Wert, ein Lebenszustand, der den Kampf, das
Ringen, das immer wieder neu für die Freiheit eintreten lohnt. Denn auch dies
setzt Martinez überzeugend und den Leser durchaus ins Nachdenken stürzen. Wenn
man glaubt, frei zu sein (und gerade in den westlichen Industrienationen glauben
das wohl die meisten der Bewohner), dann bringt ein näheres, tieferes
Nachdenken diese Überzeugung recht schnell ins Wanken. Und das mehr als noch
vor vierzig, fünfzig Jahren.
"Dieses Fundament (die Überzeugung eines freien Lebens)……hat Risse
bekommen".
Und das in weitaus mehr Hinsichten als die offenkundigen Versuche mancher
"starker Männer", in ihren "Ländern" Freiheiten stark
einzuschränken, Oppositionen mundtot (oder gleich ganz tot) zu machen, nur noch
am besten ein eindimensionales Denken "im Volk" zu generieren. Und,
das ist die abstrakte Übertragung, die Martinez in seinem Buch setzt, es geht
eben nicht nur um "Personen" und "einzelne Kräfte", sondern
das System des Kapitalismus an sich ist es, dass an den Fundamenten der Freiheit
kratzt, das Meinungen und den öffentlichen Diskurs mitbestimmt und manipuliert,
dass statt "freier Individuen" lieber von "Kunden" oder
"Kostenträgern" oder "Leistungsträgern" spricht. Wobei
gerade der Hauptteil des Werkes Beobachtungen über Beobachtungen, Fakten über
Fakten anführt, die allesamt im Einzelnen nicht neu oder unbekannt sind, aber
in dieser Zusammenstellung eine kräftige Wucht erlangen. Was sich, so
konstatiert Martinez überzeugend, eben nicht nur "ideologisch"
festmachen lässt, sondern weltweit ganz praktisch zu erkennen ist.
"Auf der anderen Seite wachsen als Reaktion auf die miteinander verzahnten
Krisen… rund um die Welt neue Bewegungen heran". Mutige Bewegungen zudem,
schaut man nur die Bereitschaft zum Protest in der Türkei oder die immer wieder
aufstehende Oppositionsbewegungen in Russland an. Dass Martinez einen
"Bewusstseinswandel" einfordert, heißt dann aber auch, das gesamte
System auf den Prüfstand und in Frage zu stellen, auf dem sich zumindest die
westlichen Gesellschaften befinden.
"Das Ideal der Freiheit für die vorrangige Aufgabe zurückzuerobern,
Mensch und Planet über Profit und Macht zu stellen".
Eine These, eine Forderung, die Stärke und Schwäche des Buches zugleich ist.
Denn trotz der vielen klaren Möglichkeiten, die Martinez konstruktiv durchaus
benennt, das System ist ja nicht von Aussen aufgezwängt, sondern von der
Vielzahl der Menschen in den entsprechenden Gesellschaften "gemacht und
getragen". Was ein radikales Umdenken überaus erschweren wird. Anderseits
aber, und darin irrt Martinez nicht, ohne ein solches Umdenken werden viele
Aktionen und Impulse eher Makulatur bleiben. Und nötig wäre es, keine Frage.
Der geballten Macht des Kapitals und der damit einhergehenden egozentrischen
Interessen entgegen zu treten. Denen nicht nur deutsche Autobauer scheinbar
bedingungslos nachgehen.
Es ist ein langer Weg der kleinen Schritte. Aber, da kann man Martinez
zustimmen, ein wichtiger und lohnenswerter Weg, für die Idee und die Praxis der
Freiheit immer wieder neu einzustehen und aufzustehen. Nicht nur für sich,
sondern für "das große Ganze", das Martinez eindrücklich benennt
und vor Augen führt.
Fazit
Aber selbst, wenn man dem weniger zustimmen sollte, oder wenn man kaum Hoffnung
entfaltet auf die mögliche Realisierung der angemahnten Veränderungen, die
Lektüre des Buches lohnt sich alleine schon wegen der scharfen Analyse des
"Ist-Zustandes", die Martinez Seite um Seite eloquent zu Gehör gibt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 31. Juli 2017 2017-07-31 15:10:46