Etwas zu ruhig im Gesamten
Wie auch in den vorhergehenden drei Bänden versteht es Bodenheimer (als
Fachmann für die jüdische Literatur- und Religionsgeschichte) auch im neuen
"Fall" des Rabbi Klein aus Zürich jüdische Gegenwartskultur (vor
allem die alltäglichen Aufgaben des Rabbinats und des ebenso alltäglichen
Lebens des Rabbi selbst) zu verbinden mit einem Mordfall. Die entsprechenden
Bibelstellen und die verschiedenen Möglichkeiten der Auslegung finden homogen
ihren Platz im Roman und drängen sich so nicht als "unnatürlich
gesetzt" in den Vordergrund. Und haben im Übrigen mehr mit der Aufklärung
des Mordes an einem Talkmaster zu tun, als man auf den ersten Blick und gerade
in den Momenten im Buch, an denen die religiöse Tradition angeführt wird,
meint.
Wie ebenfalls gewohnt ist Bodenheimer kein Verfechter blutrünstiger
"Action-Thriller", sondern verfolgt in aller Ruhe und Bedächtigkeit
die Aufklärung des aktuellen Falles durch die Kraft der Deduktion, nicht der
körperlichen Raubeinigkeit (die Rabbi Klein auch nicht stehen würde). Einiges
aber ist doch an Motiven zu viel gesetzt und anderes (wie vor allem das
reibungsvolle Verhältnisse Kleins zur Züricher Mordermittlerin Karin
Bänzinger, die selten begeistert von des Rabbis Verwicklungen in ihre Fälle
ist) kommt ein wenig zu kurz.
Dass das Verhältnis Islam-Judentum, Islam-westliche Gesellschaft und zudem noch
die Reibungen innerhalb des Islam (Moral, Stellung der Frau und rigide
Handlungen, so in diesen Bereichen etwas "in Unordnung" sein sollte)
wichtig für den Fall und seine Hintergründe sein könnte, hätte letztendlich
fast schon gereicht (in Verbindung mit dem religiösen Leben des Judentums und
der kleinen "Vereinsmeiereien" auch in der Synagoge in Zürich, die
immer wieder im Roman erheiternde Momente liefern).
Das zudem die Frage zur Stellung der Homosexualität im orthodoxen Judentum
aufgegriffen wird, der Kindesmissbrauch im Rahmen der katholischen Kirche ein
nicht unwesentliches Thema werden wird und dass alles irgendwie versucht wird,
miteinander zu verbinden, das ist, bei aller fundierten Darstellung durch
Bodenheimer, doch ein wenig zu viel an Thema für den eher schmalen
Kriminalroman. Und auch das Ende samt der Aufklärung geschieht ein stückweit
zu geräuschlos, wie im Vorbeigehen eher. Hier hätten einige Spanungselemente
dem Lesevergnügen doch Vorschub leisten können.
Fazit
Alles in allem ein intelligenter, thematisch etwas überfrachteter, sprachlich
gut zu lesender und zudem informativer Roman, der im Gesamten allerdings ein
stückweit auch zu ruhig daherkommt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 31. Juli 2017 2017-07-31 14:51:21