James A. Michener gehörte zu den Meistern des historischen Romans in den
Vereinigten Staaten. Seine Bände "Karibik", "Texas",
"Mexiko" bringen in äußerst lebendiger Form Geschichte zum
"Erleben". Michener, der häufig in einem Team arbeitete und sich
ausgezeichneter Wissenschaftler bediente, garantierte damit erzählerische
Spannung und historische Authentizität auf höchstem Niveau.
Allerdings haben seine Werke meines Erachtens einen Nachteil: er erzählt sehr
breit und neigt zur Langatmigkeit. Daher empfehle ich diese hervorragende
Duographie, von der "Welt" zu recht charakterisiert als "lobende
Geschichtslektüre." Sie erzählt die Schicksale des "Adlers"
Antionio Lopez de Santa Anna, Generals der Kavallerie und mehrfachen
Präsidenten von Mexiko und Sam Houston, des bekannten amerikanischen Politikers
und Generals. Beide Politiker standen sich nur einmal gegenüber: in der
Schlacht vonSan Jacinto 1836. Diese Schlacht entschied über die Unabhängigkeit
des Staates Texas von Mexiko und war von welthistorischer Bedeutung.
Wie der Autor in einem ausführlichen Vorwort darlegt, war "Der Adler und
der Rabe" eigentlich als eigenes Kapitel seines Romans: "Texas"
gedacht. Aber alle seine Freunde seien der Meinung gewesen, dass dieses Kapitel
nicht in den Roman gehöre. Es passe nicht in die erzählstruktur von
"Texas". "Das Kapitel hatte mehr den Charakter eines historischen
Essays." So veröffentlichte der Autor diesen faszinierenden Vergleich der
charakterlich so unterschiedlichen Persönlichkeiten und Gegenspieler als
eigenes Werk.
Novellenartig aufgebaut, schildert es Aufstieg, Werdegang und - im Falle Santa
Annas - auch den Fall der beiden Politiker. Faszinierend der
"psychologische Falkenblick", mit dem Michener das Wesentliche vom
Unwesentlichen trennt. "Ich hatte sechs oder sieben Biographien und
Abhandlungen über jeden der beiden gelesen, hatte ihre Spuren in Mexiko und
Texas vor dem geistigen Auge verfolgt, hatte in Gedanken die Schlachten
nachgeschlagen, die sie ausgefochten hatten."
Dies merkt man: wer ein so souveräner Erzähler ist - mich sehr an
Stefan Zweig erinnernd - wie
Michener, kann dies nur tun, weil er über ein außergewöhnliches Detailwissen
über die Persönlichkeiten verfügt, über die er schreibt. Dies macht den Wert
der Biographie aus, die dem Leser nicht nur die beiden portraitierten Generäle
wirklich "nahebringt", sondern es schafft, mit seiner spannenden
Erzählweise Interesse für die texanische und mexikanische Geschichte zu
wecken.
Fazit
Michener war für mich ein Meistererzähler - er machte Geschichte
"erlebbar" - wie hier beispielhaft dargestellt - und darin lag sein
Verdienst. Zu recht genießt er auch zwei Jahre nach seinem Tode den Ruf als
einer der bekanntesten Autoren der Weltliteratur.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 29. März 2004 2004-03-29 21:34:52