Brian van Reets Roman über den Irakkrieg stellt mehrere Figuren in den
Mittelpunkt: die US-amerikanische Soldatin Cassandra, Sleed, Sergeant einer
Panzereinheit, den Mudschaheddin Abu al-Hul, dessen Gegenspieler Dr. Walid und
den Jungen Haider. Über Cassandras Kriegseinsatz berichtet ein auktorialer
Erzähler, Sleed erzählt persönlich und auch Abu al Hul tritt als Icherzähler
auf, so dass er bis zum Ende der Romanhandlung noch immer mit Details zu seiner
Person überraschen kann.
Wie auf einem Zeitstrahl geht es zunächst zurück zu Cassandras Ausbildung. Sie
tritt mit 18 in die Army ein, um einem trostlosen Leben in der Provinz zu
entgehen und ohne zu ahnen, dass sie damit aus einem harten Leben in ein noch
härteres fliehen wird. Der Ausbildungsabschnitt in Kuwait konfrontiert sie mit
den aberwitzigen Schwächen eines hochtechnisierten Wüstenkrieges. Die Soldaten
sind für diesen Einsatz unzureichend ausgebildet und ausgerüstet, der Berg an
Ausrüstung macht sie unbeweglich. Aushalten können sie das Leben mit Sack und
Pack in einem Humvee nur mit der "Pferdepille", den allgegenwärtigen
Psychopharmaka. Cassandra durchschaut die Zusammenhänge, hat jedoch keine
andere Wahl. Von Beginn ihrer Dienstzeit an ist die Soldatin mit Gewalt gegen
Frauen innerhalb der Armee konfrontiert. Das Verhältnis zwischen Männern und
Frauen zeigt sich widersprüchlich, wenn einerseits Mutterfiguren fehlen, um
männliche Aggressivität im Zaum zu halten und andererseits Kameraden Cassandra
beschützen wollen. Die Erzählerstimme nimmt alle Schwächen des
Kriegsgeschäftes wahr und bohrt aus der Distanz tiefer nach. Beim Einzug nach
Bagdad kommt es zur Begegnung mit dem kleinen Haider, bei der Cassandra sich
fragt, was für Eltern so kleine Kinder im Krieg draußen herumlaufen lassen.
Die Amerikaner müssen erkennen, dass ihre so genannten interkulturellen Trainer
keine Ahnung hatten; denn diese Bilder Bagdads haben sie sicherlich nicht
gesehen.
Abu al-Hul, der Emir der Mudschaheddin-Kämpfer, nimmt als Freiwilliger, eher
als religiös motivierter Söldner, am Kriegsgeschehen teil und ist bereits
Veteran des Afghanistan-Krieges. Seine Herkunft und Motive werden erst in
kleinen Schritten aufgedeckt werden. Abu al-Hul zeigt sich dabei als an seiner
Religion Zweifelnder, ein kritischer Kopf, der den Kampf zunehmend abstoßend
findet. Doch die Männer, die er anführt, sind jung, heißblütig und
selbstgewiss. Allmählich fügt sich das Bild eines Mannes zusammen, der aus
gutbürgerlichen Verhältnissen stammt und bereits auf drei Kontinenten
gekämpft hat. Gegenspieler Dr. Walid will die Ungläubigen in diesem Krieg mit
terroristischen Attacken und mit Hilfe der Medien bekämpfen, im Fall der Medien
also mit ihren eigenen Mitteln.
Die Wege der Beteiligten kreuzen sich, als Cassandras Platoon von Walids
Männern gefangen genommen wird. Für die Mudschaheddin ist eine Soldatin eine
Provokation. Die Situation eskaliert jedoch ebenso aufgrund kultureller
Unkenntnis auf beiden Seiten. Menschen zweier Kulturen stehen sich verwundert
gegenüber, die jeweils ihrem System als Kanonenfutter dienen.
Mehrere Schauplätze, Zeitsprünge, verschachtelte Rückblicke und verschiedene
Erzählperspektiven fügt Brian van Reet zusammen zu einem komplexen Roman über
den Krieg im Zeitalter der Medien und der Privatisierung von Kriegshandlungen.
Seine Figuren und Erzählperspektiven hält er in seinem Erstlingsroman
souverän im Griff. Jede der Figuren erhält eine persönliche Stimme. Wie
unter einem Brennglas werden kulturelle Gegensätze und mangelnde
interkulturelle Bildung in den Focus gerückt; einem schmutzigen, absurden
Krieg wird mit Nahaufnahmen der Figuren eine weitere Ebene hinzugefügt.
Obwohl jedes Kapitel exakt mit Ort und Zeit gekennzeichnet ist, erfordert das
Buch höchste Konzentration.
Fazit
"Beute" ragt durch die facettenreichen Persönlichkeiten Cassandras
und des kriegsmüden Abu al-Hul heraus und erzählt teils aus der Ichperspektive
vom Krieg im Medienzeitalter.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 23. Juli 2017 2017-07-23 09:48:46