Thorkild Aske war interner Ermittler der norwegischen Polizei, ehe er eine
Haftstrafe zu verbüßen hatte und ehe professionelle Kümmerer der
Arbeitsvermittlung Stavanger Wiedereingliederungsmaßnahmen für ihn finden
mussten. Betreut wird er außerdem von einem dubios wirkenden Psychiater, er
einst selbst in Haft war. Bei diesem Einstieg in den Kriminalroman schlich sich
sofort der Eindruck ein, dass Thorkilds Jobsuche nicht sein einziges Problem
sein würde. Mit seinem Talent sich in Schwierigkeiten zu bringen gibt Thorkild
einen tortured detective wie aus dem Lehrbuch. Seine sonderbaren Marotten und
seine psychische Verfassung können einem allein beim Lesen schon Angst
einjagen.
Voller Ironie berichtet der isländische Kriminalpolizist mit lebenslangem
Berufsverbot von seinem privaten Auftrag, einen Vermissten zu suchen, der von
einer Bohrinsel verschwunden ist. Die Auftraggeberin ist ebenfalls Patientin bei
Thorkilds Psychiater und will sich nicht mit dem Verschwinden ihres Sohnes
abfinden. Als nach einem Unwetter sein leeres Boot gefunden wurde, vermutete die
Polizei offenbar zu schnell einen Tauchunfall. Auf den Spuren des vermissten
Rasmus arbeitet Thorkild mit dem Lensmann des Ortes zusammen, einer Art
Ortsbürgermeister, der früher die Steuern eintrieb und Polizeigewalt ausübte.
Der vermisste Rasmus hatte mit dem Geld seiner Mutter ein leer stehendes Hotel
gekauft, sein Geschäftsplan klang vernünftig, bis er offenbar jemandem in die
Quere geriet. Vor der Kulisse düsterer Herbststimmung mit Sturm und Hagel
könnte man beinahe an übersinnliche Kräfte glauben, deren Ärger Rasmus
heraufbeschworen hat. Während eine Springflut angekündigt wird und jeder
vernünftige Dorfbewohner sein Bootshaus zunagelt, verdichten sich die Hinweise,
dass Rasmus nicht einfach beim Tauchen verunglückt ist.
Fazit
Einen psychisch angeschlagenen Ermittler als Icherzähler antreten zu lassen,
ist ein Risiko, das Heine Bakkeid (bisher als Jugendbuchautor bekannt) im ersten
Band seiner geplanten Reihe mit Bravour meistert. Sein gebeutelter Held kann mit
geschultem Sinn für Widersprüche und Lebenslügen seiner Mitmenschen
überzeugen. Die Spannungskurve des Buches wird u. a. gehalten durch die Frage
nach Thorkilds Vorgeschichte. Die mystischen Elemente werden Lesern nicht
unbedingt gefallen, die beim Thema Tauchen aufgehorcht haben und die Lösung des
Falls wirkt leicht aus dem Hut gezogen. Dennoch punktet der Serieneinstieg mit
der komplizierten Ermittlerpersönlichkeit und der vermittelten düsteren
Herbststimmung.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 23. Juni 2017 2017-06-23 06:47:03