Sorgsam, informativ, fundiert und hervorragend zu lesen
2008 hat Philip Norman in bester Weise John Lennon "biographiert". Und
so wundert es kaum, dass sich der Autor, einmal Feuer gefangen, nu der zweiten
herausragenden Musikerpersönlichkeit der vier Beatles zuwendet. Und ungleich
mehr ist zu erzählen. Das kann man vorwegsagen. Denn mehr noch als Lennon, der
sich über Jahre hinweg ins Private zurückgezogen hatte, hat McCartney ein
öffentliches Leben auch nach den Beatles geführt. Musikalisch durchaus
erfolgreich mit den "Wings" und als Bandmitglied dabei seine Ehefrau
Linda. Und bis heute steht McCartney immer wieder sehr erfolgreich auf der
Bühne um sein musikalisches Erbe (mit einem hohen Anteil der Beatles-Zeit) zu
Gehör zu bringen.
Und privat war dieses Leben bis zum heutigen Tag ebenfalls nicht ohne Höhen und
Tiefen, Spannungen und öffentlichem Interesse, was den Schicksalsschlag des
Krebstodes seiner Frau Lind, was seine turbulente Ehe mit Heather anging. Wobei
alleine schon die Zeit der Beatles und McCartney als kongenialer Teil des
musikalischen "Genie-Gespannes" Lennon/McCartney locker für eine
umfassende Biographie schon ausreichen würde (die es ja durchaus in
verschiedenen Formen bereits gibt).
Zusammen mit Elvis, dem "Kulturwandler durch den Rock'n'Roll" stehen
die Beatles, und bei diesen Lennon/ McCartney an vorderster Front, für die
entscheidenden Weichenstellungen der modernen Musik und der (in die Jahre
gekommenen) ehemaligen "Jugendkultur", welche die Welt durchaus in
ihren kulturellen Grundfesten verändert hat. Auch wenn die Beatles zunächst
"einfach nur Spaß" haben wollten, mit dem Album "Revolver"
und danach mit "Sergeant Peppers Lonely Heart Clubs Band" wurden
musikalischer Mainstream, Aufnahmetechnik und die Rock- und Popmusik als Ganzes
nachhaltig beeinflusst. Dabei versteht es Norman, durchweg fundiert, sorgfältig
recherchiert und mit Einfühlungsvermögen, all diese Ereignisse, die prägenden
Zeiten der Person Paul Mccartney, und diese (letztlich irgendwann durch den Ruhm
völlig entrückt wirkende) Person dem Leser nahe zu bringen.
Was Norman "Stairway to Paradiese" nennt (in gut gewählter Anlehnung
an einen Led Zeppelin Titel) und mit anderen Perspektiven ("John schien in
Pauls Gegenwart aufzuleben) garniert im ersten Teil vorträgt, lässt nicht nur
die damaligen Zeiten atmosphärisch wieder sehr nahekommen, sondern zeigt auch
den inneren Weg des Mannes McCartney (der erst zum Mann wurde, als er schon
berühmt war) treffend auf. Eine Entwicklung, die dann auch bestens erklärt,
warum McCartney einerseits mit dem "Circus der Beatles" durchaus gut
zu Recht kam, anderseits aber diese Jahre auch nutze, sich persönlich und
privat zu stabilisieren bis dahin, die Liebe (durchaus mit ein wenig Kitsch
versehen), wirklich zu finden.
Und deutlicher wird auch, dass es nicht "die eine Yoko" war, die
allein zum Bruch führte, sondern auch McCartneys Liebe und neue Partnerin
(Linda, die nach der Trennung von Jane Asher Pauls Innerstes zu innerem Frieden
brachte) mit einen Grund darstellte (nicht aktiv, eher als äußeres Zeichen
einer inneren Entwicklung). Denn auch die Wahl der Partner zeigte an, wie
verschieden sich die beiden Konkurrenten-Freunde in der Zeit nach 1966
entwickelt hatten und nun ab 1968 noch exponentiell schneller voneinander
entfernte.
Immerhin stand 1966 gar noch an, zu viert gemeinsam eine Insel als Refugium zu
erwerben, wovon zwei Jahre später nun keine Rede mehr hätte sein können.
Ebenso, wie noch mit Jane Asher der Aufenthalt in Indien gemeinsam von allen
Vieren begonnen wurde. Wobei sich Norman auch detailliert mit Allen Kleins Rolle
in der letzten Zeit der Beatles auseinandersetzt und damit aufzeigt, dass
McCartney zunächst nicht vorrangig persönliche Gründe für seinen Ausstieg
aus der Band entwickelte, sondern vor allem geschäftliches Misstrauen die
Stimmung vergiftete. Und Paul damit nicht falsch lag, in seiner überaus
kritischen Haltung Allen klein gegenüber.
All das aber, durchaus breit erzählt, gestaltet nur die erste Hälfte der
Biographie, in deren zweiten Teil sich Norman ebenso sorgfältig dem kreativen
und privaten Lebensweg McCartneys zuwendet, wie im gesamten Buch mit gut
gewählten Fotografien illustriert. Und ohne in Schlagzeilenjargon zu verfallen
arbeitet Norman natürlich die Ehe mit Heather Mills auf ("Sie kann es sich
gar nicht leisten, alle Zeitungen zu verklagen, die sie gerne verklagen würde)
und endet mit jenem Einblick in die sensible Seite des Musikers, die im gesamten
Buch im Hintergrund immer wieder zu erkennen ist: "Da ist immer dieser
Moment von 'Kann ich das'"?
Fazit
Eine hervorragende Biographie des privaten und öffentlichen Menschen
gleichermaßen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 20. Juni 2017 2017-06-20 10:29:45