Die Schrecken von Gewalt, Krieg und Tod
Schon früh ist die Leidenschaft angelegt, wie eine Prägung aus Kindertagen
zieht es sich durch das Leben dieses Mannes.
"Als Kind liebte ich es, mit der kleinen Holzkanone zu schießen. Herrliche
Schlachten im kleinen Gartenteich".
Was nun nicht dazu führte, dass der Mann Berufssoldat wurde, sondern, ganz im
Gegenteil, sein Ziel ist es, durch eine "Personalisierung der Gewalt des
Krieges", durch ein Zusammentragen aller möglichen
"Kriegsobjekte", die als Waffen dienten (und die vor allem die Träger
der Geschichten jener sind, die sie benutzten) durch Emotionale Abschreckung
eines "Kriegsmuseums" den Frieden zu ermöglichen, fast "herbei
zu schreien". Was nicht so einfach ist bei begrenzten Mitteln und einer
ausgewachsenen Obsession.
"…doch im selben Moment, in dem er sich anschickte, etwas zu verkaufen,
wurde er sofort wieder von seinen Furien ergriffen und versuchte, auch zu kaufen
– man weiß zwar nicht, von welchem Geld….:"
Und diese Leidenschaft, dieses "Museum", dass der namenlose Mann
erbauen, zeigen, vor Augen führen möchte, ist in der Umsetzung vielfach seiner
Assistentin Luisa aufgetragen. Und auch deren Geschichte hat mir dem Krieg zu
tun, mit Verfolgung, Gefangenschaft, mit Verrat von "Nachbarn" an die
"neue Macht". Denn ein jüdischer Strang findet sich in Luisas
Familie, der nicht vom Leid verschont blieb. Ebenso, wie die (farbige) Familie
ihres Vaters eine "Vorfahren-Geschichte der Sklaverei" zu erzählen
hat.
So entsteht ein Geflecht von Geschichten und Gegenständen in einer ganz eigenen
Sprache erzählt, mit einer ganz eigenen, durchaus bedrängenden Atmosphäre
versehen, die Magris aus vielfachen Richtungen immer wieder zum Kern der
Destruktion des Krieges führt und den Leser auf ebenso vielen Wegen dahin
mitnimmt. Eine Gewalt im Übrigen, deren Spuren der Autor im Buch in vielfacher
Form nachgeht und nicht im engeren Sinne beim Krieg dabei haltmacht. Auch in
Beziehungen ist in Gewalt zu finden, und das nicht zu knapp, wie Magris im Buch
zeigt. In einer dichten, bildkräftigen Sprache, die immer konkret und plastisch
das Gemeinte, nicht selten schmerzlich, dem Leser vor Augen führt.
"Diese Fotografie von der Hochzeitsreise…..steht auf dem Nachttisch. das
erste Bild beim Aufstehen und das letzte beim Zubettgehen, das verblasste
Gesicht der Ehefrau zwischen Schaufel, Spaten und durchlöchertem Helm".
Ein Roman der vielfachen Stimmen, der beide Seiten der Gewalt und des Krieges
aufzeigt, die Opfer, nachdrücklich, aber auch die "Profiteure" und
"Mitläufer", die gar nicht schnell genug mit dem Finger auf andere
zeigen konnten und im einzigen Konzentrationslager Italiens der persönlichen
Bereicherung nachgingen. Nicht einfach zu lesen ist dieser Ausbund an
Geschichten, sprachlichen Finessen, bildkräftiger und bildreicher Darstellung,
in dem doch jede einzelne Linie und Geschichte auf ihre Art den Leser fesselt
und fasziniert. Und immer deutlich zum Tragen kommen lässt, dass jede Form der
Gewalt und Gier, der Verblendung und fanatischen Ideologie die Welt nur zu einem
"großen Sarg" machen wird, Wie auch das "ruhige Meer" doch
auch ein "großer Sarg" im Buch sein kann (und in der Realität ebenso
ist).
Fazit
"Müll ins Meer zu kippen ist ein Verbrechen ebenso, Menschen hinein zu
werfen, aber der Richter erklärt: Das Verfahren wird eingestellt". Aber,
gut so, nicht in diesem Buch! Ein wichtiger Roman, ein Antikriegsroman, der weit
über den engen Begriff eines bewaffneten Konfliktes hinausgeht.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 29. Mai 2017 2017-05-29 11:54:10