Zueinander finden – fast unmöglich
Joe Chayefski ist nicht nur Neurowissenschaftler. Sondern auch einer, der sich
attraktiven Frauen nicht leicht verschließen kann. Der, auch da nicht nur in
dieser Hinsicht, begeisterungsfähig ist. Natürlich versetzt in seinem Denken
die Liebe Berge. Aber auch ihn auf einen anderen Kontinent? Eher nicht. Wie sich
herausstellen wird. Denn der Amerikaner in Finnland, frisch verheiratet, ebenso
Frischer Vater mit einer, durchaus auch, frischen Assistentin im Büro zweifelt.
Auf seine Weise. Und das heißt, nicht laut und offen, nicht sich seiner selbst
bewusst, sondern höchstens auf sich selbst bezogen und dann eher auch
praktisch-
Was die Ehefrau, Alina, Finnin, von Beginn an mit einem schweren Stand
gegenüber der Familie ihres neuen Mannes und überhaupt mit Kind und allem
sensibel sogar noch eher spürt, als es für Joe praktisch werden könnte.
Karriere in der Universität in Finnland? Schwer möglich, zu langsam, zu
bedächtig, zu behäbig, zu sehr auf den Status Quo aus, so kommt ihm die Arbeit
vor. Und letztlich kommt es, wie es sich andeutet. Langsam und ausführlich, zu
Beginn des Romans. Das Familienleben wird getrennte Wege gehen, vieles in der
Vergangenheit verschwinden, ein neuer Anfang gesetzt. Bis Joe die Vergangenheit
einholen wird.
"Die Nadelbombe sollte allein Miriam aufrütteln, ihr einen Denkzettel
verpassen".
Bedrohungen schleichen sich in die Arbeit des Wissenschaftlers ein und werden
immer handfester. Radikale Tierschützer? Konkurrenz? Aber so bedeutsam und
existenziell sind seine Forschungen doch gar nicht? Und andere Bedrohungen
setzt Valtonen im Zuge der Geschichte weit subtiler. Mit welch hoher
Geschwindigkeit die Welt läuft, ohne Rücksicht zu nehmen auf das verwurzelte
Leben der Menschen. Wie sehr sich privates Glück und Erfolg manchmal
widersprechen könnten. Wie die Personen, jeder und jede für sich, in den
Mahlstrom dieser "neuen Weltordnung" geraten und doch nur als
Individuum gesehen und anerkannt werden wollen. Eine Weltordnung, in der auch
die Natur sich ungebändigt zu entwickeln droht, in der, oft kaum sichtbar,
vielfache Gefahren sich entfalten für das individuelle Leben, für das
gemeinsam-gesellschaftliche Leben und für die Ökologie der Welt.
Wobei Valtonen einerseits mit Breite erzählt und andererseits versucht,
vielfache Themen miteinander zu verflechten. Was eher nur im Ansatz gelingt.
Denn auch wenn die "Hauptgeschichte" mit Anfang, neuer Entwicklung und
durchaus dramatischem Ende noch einen gewissen "Zug" besitzt,
verschwindet dieser manches Mal fast vollständig unter einzelnen Situationen,
in denen wiederum Reflexionen über die moderne Lebensweise offen oder
hintergründig transportiert werden. Was einfach kein rundes Ganzes am Ende
ergibt, das Tempo in Teilen zu sehr verschleppt, um dann zum Ende hin sich fast
zu überschlagen vor einschneidenden Ereignissen und Auflösungen.
Fazit
Alles in allem ein zeitkritischer Roman, der die zunehmenden Schwierigkeiten des
Einzelnen, eine eigene Identität zu finden, zu verwurzeln und zu behaupten
interessant thematisiert, dabei aber auch hier und da zu viele Puzzle Teile in
zu breiter Erzählweise in den Raum setzt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 15. Mai 2017 2017-05-15 16:13:35