Lange bevor Menschen sich ansiedelten, gab es den Fluss. Menschen blieben wegen
der Jagdbeute im offenen Tal, vielleicht wegen der Furt durch den Fluss. Viel
später werden Waren per Kahn oder mit Karren transportiert. Gebühren für das
Übersetzen ernähren einen Fährmann; Brückenzölle wecken Begehrlichkeiten;
eine ideale Stelle für einen Handelsplatz. Roman Rausch schreibt in kurzen
Abschnitten die Geschichte der Würzburger Alten Mainbrücke, zugleich die
Geschichte vom Aufstieg einer kleinen Ansiedlung zur Handelsmetropole Virciburg.
Er lässt in kurzen Szenen Baumeister, Fährleute und ehrgeizige Kleriker
auftreten. Würzburg war bevorzugter Aufenthaltsort von Friedrich I., eine
zweifelhafte Ehre, die den damaligen Bischof Gebhard beinahe in den Ruin trieb.
Am Brückenzoll entzündet sich der Groll der Bürger; denn sie müssen
Gebühren zahlen und ihren Herren Frondienste leisten, während der Klerus in
Saus und Braus lebt und selbst keinen Brückenzoll zahlt. Schließlich kommt es
zum Aufstand der Einwohner gegen die Privilegien der katholischen Kirche. Die
Kritik der Bürger und Bauern an einer gottgegebenen Weltordnung und an
Rechtsprechung durch Kirchenmänner lässt sich eines Tages nicht mehr
unterdrücken. Die Brücke wird schließlich zur Grenze zwischen dem
Landesherrn und seinen aufsässigen Untertanen.
Eingerahmt vom Rätsel um eine geheimnisvolle Schatulle erzählt Roman Rausch
aus Würzburgs Geschichte. Er konzentriert sich auf knappe Szenen mit wenigen
Personen; zur Überleitung zwischen verschiedenen Epochen werden kurze
Sachtexte eingeschoben. Die Wege einfacher, fiktiver Figuren kreuzen sich in
Würzburg mit denen historischer Personen. Um die Brücke herum verfasst der
Autor ein Lehrstück von aufbegehrenden Untertanen gegen einen eitlen wie
gierigen Klerus, der eine blühende Stadt in den Ruin treibt. Die
Willkürherrschaft des Klerus führt zur Abwanderung Unzufriedener in liberaler
regierte Regionen und zur wirtschaftlichen Auszehrung der Region. Tausende von
Toten durch Aufstände oder durch die Pest tun ihn Übriges. Der Protestantismus
als neuer Unruheherd taucht auf. Die Stadt gelangt trotz ihres erzkatholischen
Volkscharakters schließlich als nördlichste Provinz unter Bayrische
Herrschaft. Durch Kriege und zerstörerische Fluten hindurch übersteht die
Brücke schließlich den Zweiten Weltkrieg.
Fazit
Wie erfolgreich sich Geschichte als Stadtgeschichte schreiben lässt, hat Edward
Rutherfurd mit seinen Romanen über prominente Metropolen gezeigt. Roman Rausch
mangelt es etwas am roten Faden zur Verbindung der Abschnitte, sein manchmal
pathetischer Stil könnte durch die Epochen hindurch konsequent neutral
bleiben. In der Summe ein informativer historischer Roman über eine sehenswerte
Stadt.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 26. März 2017 2017-03-26 08:59:55