Wenn es gründlich danebengeht
Der Ort ist Ordos in China. Verbaut wurden 160 Milliarden Dollar aus
öffentlichen Geldern und was bleibt sind gigantische, nicht fertig gebaute
Hochhäuser und eklige Baugruben. Inklusive eines fertiggestellten Museums und
einer Bibliothek, die bis heute noch auf Besucher warten. Oder Kolmannskuppe,
Namibia, Afrika. 1908 mit dem Bau begonnen auf Anweisung deutscher
Kolonialherrschaft, 1954 verlassen, weil das Fördervolumen der Diamanten stark
rückläufig war. Zerfallene Häuser in karger Felsen- und Wüstenlandschaft,
eine moderne Geisterstadt.
Oder der "Abraham Lincoln Turm" in Rio de Janeiro. 1969 begonnen, von
den 450 Appartements haben nur 250 einen Käufer gefunden, leben in einem halben
"Geistergebäude" heißt das also. Nur drei Beispiele von vielen, die
Alessandro Biamonti in diesem Band versammelt hat, bestens fotografisch ins
Licht gerückt, so dass der Leser einen umfassenden Einblick (und Anblick) in
modere Ruinen erhält, entweder von Beginn an oder auf Dauer gesehen misslungene
Groß-Bauprojekte. Die Biamonti nicht "einfach so" sammelt (auch das
wäre allein schon interessant zu sehen und zu lesen gewesen), sondern die er in
einen modernen gesellschaftlichen Kontext stellt (den Umgang mit Fehlschlägen)
und damit der modernen Geisteshaltung durchaus treffend auf die Spur kommt.
"Tatsächlich leben wir ja in einer historischen Periode, in der wir mit
Niederlagen und Fehlschlägen ganz anders umgehen als bisher. In erster Linie
suchen wir nach einer Begründung dafür, sie als Problem hinter uns zu lassen
und als Chance anzugehen".
Dabei bezieht sich Biamonti ausdrücklich auf eine Rede von Steve Jobs, in der
Jobs all die Niederlagen seines Lebens aufzählt, um deren positiven Einfluss
auf das dann gelungen Ganze seines Lebens aufzuzeigen. Ein Gedanke, der wichtig
ist, der sich aber, natürlich, zunächst einmal am Denken und Wesen des Bauens
bricht. Denn hier ist ein "Streben nach Permanenz" zunächst ja im
Raum, dass eher unfreiwillige scheitert und eben solche Ruinen zurücklässt.
Und doch zeigt sich an den Ruinen im Buch einfach auch der "Wandel der
Welt". Und es ist gut so, dass diese "Archiflops" noch stehen und
zu sehen sind.
"Wir müssen die gebauten Symbole des Scheiterns nicht mehr verstecken oder
abreißen, sondern können sie akzeptieren, nicht alleine als Elemente der
Landschaft, sondern als Teil unseres Umfeldes".
Scheitern also gehört als positiver Effekt zum Leben dazu, ist ein Teil des
Ganzen und darf gezeigt werde. Der Zwang, alles negative, nicht passende, nicht
Erfolgreiche unter viel Mühe zu verbregen hat sich im Lauf der Zeiten
erübrigt. Somit also sind diese Mahnmale nicht gelungener Baukunst auch ein
Spiegel des inneren Erlebens des Individuums und der Gesellschaft.
Fazit
Unter diesem Blickwinkel betrachte erhält die Lektüre der erläuternden Texte,
samt der eindrucksvollen Bilder im Buch, noch eine anregende, interessante Ebene
hinzu zu der schon für sich lesenswerten "Weltreise" durch Flops der
Architektur.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 16. März 2017 2017-03-16 16:00:50