Detailliert erzählt
Man muss es mögen, diese ruhige, breite Erzählweise, dann kommt man in diesem
neuen Science-Fiction Roman von Ian McDonald durchaus auf seine Kosten. Der Mond
besiedelt, aber in gewisser Weise von der Erde abgesondert. Eine Erde, die im
Roman kaum eine Rolle spielt und weitgehend noch nicht einmal am Horizont
auftaucht. Eine Erde, die vor allem eines ist, Nutznießer und Abnehmer der
Erzeugnisse des Mondes. Der Erze, seltenen Erden, und, nicht zuletzt, von Helium
3.
"Ohne mich würde auf der ganzen Erde das Licht ausgehen", so denkt
und sagt es die Matriachin des "Corta-Helios-Komlexes", Adriana Corta.
Und mit diesem helium ist die Familie Corta mächtig und reich geworden, eine
der "Fünf Drachen" auf Luna, der fünf reichsten und herrschenden
Clans. Die einander, trotz mannigfaltiger Heiraten, Querverbindungen, Verträge
nicht sonderlich grün sind. Was vor allem das Verhältnis von Adriana Corta zu
Robert Mackenzie (der, der nur "von seinem Stuhl" noch am Leben
gehalten wird. Eingebettet und umringt von zig Lebenserhaltungssystemen, aber
immer noch durch nackten Willen angetrieben). Angeht. Der den Mond
"eroberte", der als erster Maschinen en Gros auf Luna brachte und den
Grundstein zu seiner Erzgewinnung damit legte.
"Der Wille zur Macht, der Wille, zu besitzen, der Wille, festzuhalten und
nichts herzugeben, auch nicht den kargen Rest seines Lebens".
Intrigen, harte Verhandlungen, gegenseitiges unterlaufen von
Geschäftsverträgen, vor allem mit der Gesellschaft, der Luna am Ende gehört
und welche die Geschäfte mit der Erde vermittelt. Und auf einmal, bei einem
Corta-Empfang, summt da eine Fliege herum. Eine künstliche (Echte Insekten,
Bakterien oder andere störende Elemente gibt es auf Luna nicht). Eine
vergiftete Fliege. Und die Dinge nehmen Fahrt auf. Denn innerhalb der Millionen
von Luna Bewohnern gibt es eben nicht nur die vielen, die ihr Leben versuchen,
gut zu leben und die am "endlosen Lauf" teilnehmen und die genug damit
zu tun haben, genügend finanzielle Mittel zusammenzubekommen, um Wasser und
Sauerstoff, Lebensmittel und Kleidung erwerben zu können.
Und dennoch werden auch sie betroffen sein, wenn Adriana Corta und ihre drei
Söhne (die untereinander ebenfalls die ein oder andere Intrige am Laufen haben)
gegen Robert Mackenzie und seinen Clan antreten werden. Subtil zunächst, offen
und hart im weiteren Verlauf des Romans. Und auch die andren drei Clans werden
nicht außen vor stehen bleiben, wenn es um die Existenz der Kolonie auf dem
Mond geht und darum, wer sich dort ganz oben an der Macht halten werden kann.
Sehr breit erzählt McDonald, mit spürbarer Lust an den Einzelheiten des
Lebens, an "Druckern", die so gut wie alles herstellen können, an
einer ganz besonderen Form der Existenz "unter tausenden von Tonnen
Stahl". "Auf dem Mond herum zu laufen ist kein Spaziergang. Der Mond
kennt tausend Todesarten für uns". Und die Menschen ebenfalls noch so
einige füreinander.
Fazit
Ein wenig zügiger, mit mehr Tempo hätte es schon gehen können. Zudem es nicht
einfach ist, gerade zu Beginn, sich in den vielen Personen zurecht zu finden,
die McDonald auf ihren Weg durch die Irrungen und Wirrungen der Luna-Kolonie
schickt. Am Ende aber entschädigt die filigrane Atmosphäre und die Ereignisse
in der zweiten Hälfte des Romans den Leser aber für das geduldige Lesen der
ersten 200 Seiten.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 03. März 2017 2017-03-03 11:54:23