Cal MacGill ist von Beruf Meeresbiologe und Datenbankspezialist, ein zauseliger
Bursche, der sein Leben dem Schutz der Natur und der Erforschung der
Meeresströmungen gewidmet hat. Motiv für Cals Interessen ist der ungeklärte
Tod seines Großvaters William, der 1942 auf dem Meer verschollen ist, während
des U-Boot-Kriegs der Deutschen. Privat lebt Cal mietfrei in einer der
Spekulations-Ruinen eines Immobilien-Spekulanten, für den er als Gegenleistung
Hausmeisterdienste übernimmt. Das Berechnen von Strömungsrichtungen erledigt
Cal für Umweltorganisationen, damit sie Verursacher von Meeresverschmutzung
identifizieren und auf Schadenersatz verklagen können. Für seine Ermittlungen
ist Cal an Schottlands Küsten oft als Strandgutsammler unterwegs. Er scheut
sich weder vor Wasserleichen noch vor angeschwemmten Leichenteilen. Bestens
online vernetzt, stellt Cal sein Wissen Gleichgesinnten zur Verfügung und kann
selbst auf deren Beobachtungen zählen. In seiner Rolle als Ökoterrorist
pflanzt der junge Mann nachts gemeinsam mit ein paar Kumpels im Garten von
hochrangigen Politikern illegal arktische Pflanzen aus. Er will als Anonymer
Gärtner einen Denkprozess anstoßen, um wie viel ärmer unsere Welt wäre,
falls der Lebensraum empfindlicher Pflanzen vernichtet würde. Seine Verhaftung
führt ihn mit der Polizistin Helen Jamieson zusammen, der Cals Fachkenntnisse
in einem anderen Fall sehr gelegen kommen.
Als vor Schottlands Küste zwei abgetrennte Füße in zwei verschiedenen
nagelneuen Schuhen angetrieben werden, kann nur Cal mit seiner Software zur
Strömungsberechnung für die schottische Polizei den Reiseweg der Funde bis zu
ihrem Fundort berechnen. In einem weiteren Handlungsstrang wird eine sehr junge
indische Zwangsprostituierte von ihren Peinigern getötet. Es entfaltet sich das
Schicksal zweier indischer Kinder, die für hohe Summen ins Ausland in die
Prostitution verkauft wurden. Niemand kann ahnen, mit welcher Entschlossenheit
Basanti in einem fremden Land nach ihrer verschollenen Leidensgenossin suchen
wird – und welche Rolle der zauselige Meeresbiologe im dramatischen Wettlauf
gegen die Menschenhändler spielen wird.
Ein interessantes Motiv durchzieht das gesamte Buch, das Netzwerken und die
Bildung von Zweckgemeinschaften zur Beschaffung von Informationen. Rachel, Cals
Exfreundin, arbeitet als Fernsehjournalistin am Thema der Vertreibung der Bauern
aus den schottischen Highlands. Bei ihren Recherchen ist ihr eine betagte Zeugin
begegnet, die Cals Großvater kannte: Grace Anne MacKay. Da es um die Gesundheit
der alten Dame schlecht steht, muss Cal sich möglichst sofort mit ihr treffen,
wenn er von Grace noch etwas über das Schicksal seines Großvaters erfahren
will. Cal ist reichlich verärgert, dass Rachel ausgerechnet auf seinem
persönlichen Territorium recherchiert, der Heimatinsel seiner Vorfahren.
Die Rolle eines Meeres-Detektivs im Dienst der Kriminalpolizei konnte ich mir
zunächst schwer vorstellen und habe Cal MacGill anfangs unterschätzt. Cals
Arbeitsweise aus wissenschaftlichem Denken, Netzwerken und Bauchgefühl wird er
vermutlich in Fortsetzungsbänden weiter zum Vorteil der schottischen Polizei
einsetzen. Wie alle anderen Figuren in Mark Douglas-Homes Serienauftakt
entwickelt Cal sich als vielschichtiger Charakter im Laufe der Handlung weiter.
Die Polizistin Helen Jamieson hat ebenfalls eine ungewöhnliche Biografie
aufzuweisen, Helens Laufbahn bei der Polizei wurde in ihrer Jugend von einer
engagierten Mentorin gestützt.
2.
Sea Detective. Der Sog der
Tiefe
Fazit
Eine komplexe Handlung auf mehreren Zeitebenen, differenzierte Figuren und von
der Meeresbiologie unterstützte Ermittlungsmethoden versprechen hier anregende
Krimi-Lektüre. Auf mindestens zwei Folgebände kann man gespannt sein.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 16. Januar 2017 2017-01-16 19:55:01