Bedrückend, erschreckend, mutig
56 Schwarz-Weiß Fotografien, entstanden bei einem Aufenthalt des Fotografen
Thomas in Indien und Bangladesch. Neben einigen Landschaftsaufnahmen im Zentrum
Portraits von Frauen, die Opfer von Verbrennungen und Verätzungen geworden sind
und bei denen es Thomas gelungen ist, dass diese Frauen sich ungeschützt dem
Fokus der Kamera ausgeliefert haben. Eine Atmosphäre im Buch, die Thomas
zunächst durch nebelige, intensive, das "Dunkle" der Natur
darstellende Fotografien einleitet, Landschaftsbilder aus Bangladesch, die
gerade durch das Verschwommene, leicht bis stark verhangene Wetter formvollendet
jenes Gefühl des "Entstellt-Seins" und der Verbergung desselben
aufnehmen, was den Personen im Buch im Alltag sicherlich ebenso zu eigen ist.
Gewalt gegen Frauen in Indien und Bangladesch ist keine Bagatelle, die Stellung
der Frau höchst gefährdet, Vergewaltigung, körperliche Verletzungen lange
Zeit kaum im Blick der Öffentlichkeit und wenig bestraft. Eines der Hauptmotive
ist dabei Gier. Gier nach Mitgift, nach Zahlungen für die Frau durch ihre
Familie. Kann oder will die Familie der Frau nicht mehr bezahlen (auch nach der
Hochzeit ergeben sich beständig neue Forderungen), werden diese Frauen (als
"Eigentum" des Mannes" geschlagen, gefoltert, im wahrsten Sinne
des Wortes "zerstört" bis hin zur Verbrennung. Ein Akt, bei dem die
Frauen ein leicht und schnell brennbares Gewand übergestreift bekommen. Eine
Art der Tötung, die unliebsame Fragen fernhält, die immer als
"Unfall" deklariert werden können, bei der der Mord kaum juristisch
einwandfrei nachweisbar ist.
"Danach ist der Weg frei für eine neue Frau und damit ein neues
Einkommen".
Was einem als Leser und Betrachter das Blut in den Adern gefrieren lässt, was
in diesem Ausmaß und dieser Brutalität kaum allgemein bekannt sein dürfte.
"Mitgiftverbrennung ist seit Jahrzehnten die am meisten verbreitete Form
der Strafe und Tötung, Tendenz steigend".
Überlebende, entstellte Frauen, der Fuß zu einem Klumpen verformt, der Rücken
nicht tätowiert, wie man auf den ersten Blick meinen könnte, sondern
großflächig verbrannt, Hals und Ausschnitt bis an die Wangen herauf eine
einzige Narbenwulst, ein Gesicht (es braucht gute Nerven für die Betrachtung
der Bilder) vollständig zerstört, Nase, Mund, Auge, Ohr wie eine einzige,
breiige Masse. Es schockiert, immer wieder, zu sehen, was Menschen einem anderen
Menschen anzutun vermögen für ein bisschen Geld, aus Wut, aus Kalkül und
Berechnung. Es ist kein Wunder, dass statistisch gesehen in Indien in jeder
Stunde vier Frauen Selbstmord begehen. Und trotz der Bilder, die sich
einbrennen, des Leids, das dargestellt wird, der Zerstörung einer Person, die
zwar noch lebt und atmet, aber dies unter einer "Brandmarkung" zu
leben hat, die dem Betrachter Tränen in die Augen treiben, ist dieser Fotoband
ein wichtiges Dokument.
Fazit
Dass die Welt es sieht. Und das nicht tatenlos weiter zugeschaut wird, wie
Mädchen als "Ballast" gelten, oft abgetrieben, ebenso oft kurz nach
der Geburt getötet oder eben als erwachsene "Ehefrau" bei lebendigem
Leibe verbrannt werden.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 05. Januar 2017 2017-01-05 14:17:07