Routinierter Thriller
"Hellstes, klarstes Blau, Alles, was ich sehe, ist
vergissmeinnichtblau".
In einem kleinen Ruderboot. Verletzt, mit schmerzenden Rippen. Ausgedörrt. Und
ohne konkrete Erinnerungen. Weder ihren Namen noch sonst etwas Genaueres weiß
die Frau. Die eher durch Zufall von einem Fischer gerettet wird, umgehend an
Land in Indonesien (wie kommt sie dahin, was wollte sie dort?) von der Polizei
festgesetzt wird. Die beiden Männer, die vorgeblich von der englischen
Botschaft kommen, um sie aus dem Gefängnis heraus zu holen, sind ihr fremd. Und
dabei wird sich herausstellen, dass einer der beiden ihr überaus bekannt sein
müsste. Zudem erfährt sie, dass sie wegen Kindesentführung gesucht wird. Auch
das sagt ihr nichts und auch hier sollte sie das Kind, um das es geht,
eigentlich wesentlich besser kennen, als es ihr Gehirn zulässt.
In Sicherheit in London (Sicherheit?) tauchen andere Personen auf. Echte oder
vermeintliche Freunde und Freundinnen? Ein hilfsbereiter Portier im Haus, ein
Ehemann, der ihr fremd ist, eine Wohnung, in der sie kaum persönliche Dinge von
sich findet, selbst im Badezimmerschrank nicht. Und der Versuch, mit Hilfe
anderer und auf eigene Faust dem Trauma zu begegnen, sich verzweifelt zu
erinnern, wer auf welcher Seite steht und wer mit was zu tun hat, vor allem mit
ihr. Bis sie in einem psychotherapeutischen Institut landet (auf eigene
Initiative), sich der Vergangenheit stellen muss, am eigenen Ehemann irre wird
(den sie eigentlich gar nicht wirkliche erkennt) und langsam, aber sicher
zumindest feststellt, dass sie eine "Gabe" besitzt, dass ihre Hände
anderen Menschen helfen können und das dies vielleicht auch mit jenem Kind zu
tun hat, das verschwunden ist und noch länger bleiben wird.
Bis hin zum Finale erzählt Clark sehr gefällig, gelingt es ihr, den Leser mit
in diese verwirrte, verwirrende "neue" Welt der Ärztin Clare und
ihres Mannes hinein zu nehmen. Dass dabei gerade die Dinge am Ende ein
stückweit vorhersehbar sind, dass erfahrene Thriller-Leser den Drahtzieher
schon nach dem ersten "Auftritt" irgendwie im Hinterkopf behalten
lässt zwar die großen Überraschungsmomente in der Auflösung des Geschehens
nicht eintreten, dafür aber gelingt Clark im Lauf der Ereignisse immer wieder
eine kleinere, unverhoffte Wendung, eine Setzung gefahrenvoller Atmosphäre,
welche die Irritation der Frau auf den Leser gut mit überträgt.
Fazit
Zügig treibt Clark dabei die Geschichte voran und bietet so eine anregende
Unterhaltung, die routiniert und gut umgesetzt wird, auch wenn die einzelnen
Elemente (Amnesie, langsames Füllen der Erinnerungslücken, Suche nach sich und
der vermissten Person, nur scheinbar "Vertraute", die sich im Lauf der
Zeit auch in ihren Schattenseiten zeigen werden) nicht unbedingt neu sind.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 21. Dezember 2016 2016-12-21 12:00:20