Diesen Roman als Kriminalroman zu bezeichnen, wäre nicht das richtige Wort. Er
ist eher ein Ganovenroman. Denn im Mittelpunkt steht Tom Hawkins, ein Mann, der
in den Tag hineinlebt, nichts Richtiges mit sich anzufangen weiß und das Geld
seiner Freundin verprasst. Denn Kitty hat eine große Erbschaft gemacht und ist
Inhaberin einer kleinen, verruchten Buchhandlung, die unterm Ladentisch
pornographische Bücher vertreibt und regelmäßig von den Sittenwächtern
kontrolliert wird.
Es wird das Jahr 1728 geschrieben im London des Lebemanns und Spielers Tom
Hawkins. Der Dreck und Gestank in den Gassen, die Straßenräuber und
Beutelschneider, sowie der Umgang der Menschen untereinander erinnern an die
Szenerie in den Romanen von Charles Dickens und Daniel Defoe. Die Autorin hat
ihren Roman in zwei Stränge strukturiert. In der Gegenwart wird von einem
Erzähler der Weg Tom Hawkins zu dessen Hinrichtung in Tyburn geschildert.
Dieser Strang ist für den Leser zusätzlich durch Kursivschrift abgegrenzt. Der
zweite, und bei weitem längere, Strang wird vom Protagonisten selbst erzählt
und ist eine Rückblende. Er geht der Frage nach, wie es dazu kommen konnte.
Damit ist ein gehöriges Stück Spannung geschaffen, die vom ersten bis zum
letzten Kapitel reicht. Wie auch bei dem französischen Ganoven Cyrano de
Bergerac taucht der Leser in eine Welt ein, die voller Schmutz, Gestank,
Vulgärsprache und Verbrechen zu sein scheint. Dabei ist an den Verhaltensweisen
der einzelnen Figuren immer wieder erkennbar, dass sie auch liebevoll
miteinander umgehen können und ihre Grobheit lediglich nach außen zur Schau
getragen wird. Das ist die Strategie zum Überleben, zum Existieren in der
Gesellschaft.
Die Figur des Protagonisten Tom Hawkins wurde bereits im ersten Roman "Das
Teufelsloch" der Autorin entwickelt. Dadurch kann Hawkins in diesem Roman
bereits auf Erfahrungen zurückgreifen. Das vorhergehende Buch zu lesen, ist
aber nicht zwingend notwendig für das Verständnis. Sein Weg zum Galgen wird
von einem Mord verursacht. Die Aufklärung dieses Mordes strebt der Protagonist
selbst an. Damit wird der Roman schließlich doch ein Ermittlungsroman. Der
Leser wird im Verlauf ständig auf neue Verdächtige geführt, auf neue Fährten
gelenkt. Hodgson schafft ein fantastisches Verwirrspiel mit detailtreuer
Milieustudie. Über die Handlung hinaus klärt die Autorin in einem kurzen
Abriss am Ende des Buches über die historischen Hintergründe auf. Eine nette
Beigabe, welche gelegentlich zu einem "Aha" führen kann.
Fazit
Dieser Roman ist ein empfehlenswerter Weihnachtsschinken,. So, wie ich an den
Festtagen sehr gerne historische Filme sehe, lese ich auch gerne solche Romane.
Deshalb hatte mir "Der Galgenvogel" auch schon wenige Wochen vor
Weihnachten ein Gefühl von Weihnachten vermittelt.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 17. Dezember 2016 2016-12-17 15:51:14