Ein tiefes Hinabtauchen in die Verhältnisse und Beziehungen
Es ist nur ein sehr kleiner Ort mit seinen "dreihundertelf
Ureinwohnern", ein Dorf, dieses Finkloch, was von etwaigen Besuchern,
Wanderern und Radlern, "Funkloch" genannt wird. Hier lebt Otto Viets
Schwiegerschaft, hier wird der Ort sein, an dem sich Otto, eher Freizeit- denn
Berufsdetektiv, hin zurückziehen wird. Innere Wunden heilen lassen nach seinem
letzten Fall, der ihn innerlich enorm mitgenommen hat. Nackte Panik überkommt
ihn unvermittelt, er wird seiner selber nicht mehr Herr. Und wo sonst als im
Schoß der (Schwieger-) Familie in einem Flecken von Dorf abseits der Welt
könnte er da Linderung der Nerven finden?
Doch deutet der Prolog bereits an, dass da nicht das letzte Wort über eine
winterliche Erholung gesprochen sein wird, denn Onno findet auf einem
Waldspaziergang ein merkwürdiges Objekt. Doch wer die Werke von Frank Schulz
und gerade um seinen "Onno Vieths" kennt, der ahnt, dass, bei aller
Dehnung und Verdrehungen der Sprache, bei allem Humor und aller Satire, immer
mehr zu erwarten ist als ein "verdrehter" Möchtegern-Detektiv und ein
zu lösender Fall. Der in diesem Fall ein sehr persönlicher sein wird. Ein
"Mehr", dass gerade in diesem Roman (nach idyllischem Beginn) sich
erstaunlich ausweiten wird zu einer Generationenübergreifenden Frage von
Zueinander stehen oder einander im Weg stehen, von Schuld und Intrige, von
Zuwendung und sich abwenden.
Was an Geschichte hinter dem Dorf liegt, was die Menschen dort im Krieg und
aneinander erlebt haben, das ist noch lange nicht still und begraben und
verleiht diesem dritten Teil der Onno Viets Reihe gerade im zweiten Teil einen
anderen, ernsten Ton. Nicht mehr die Fettnäpfchen des Onno Viets (aus denen
heraus er dennoch irgendwie und immer verdreht in den letzten beiden Werken
seine "Fälle" gelöst hat), stehen alleine im Mittelpunkt des Romans,
sondern der Lebensweg von Menschen, die in und durch den Krieg harte Erfahrungen
zu verarbeiten hatten, die eben nicht verarbeitet worden sind, sondern ein Leben
lang die stillen Nächte begleitet haben und ansonsten zur Seite geschoben
wurden. Und werden. Im alltäglichen Leben. Genauso, wie alte Konflikte unter
der heilen Oberfläche des Dorfes nicht zu knapp seit langem und immer noch am
Schwelen sind.
Was Schulz zu ernsten Tönen verleitet, die er einbettet in die immer wieder
teils brüllend komisch geschilderte Rahmenhandlung eines eher tapsigen Mannes,
der dennoch nicht lockerlässt, wenn Geheimnisse und mindestens ein Mord im
Raume stehen. "Weiß man nicht, nech? Weiß man nicht, aber ich glaube das
nicht". Und das zu Recht, wie sich ganz am Ende des Romans (und in den
beiden! Epilogen herausstellen wird). Viets kann einfach nicht anders.
"Noch während er sich vorgenommen hatte, den Einbruch der Dunkelheit
bewusster mitzuerleben, wandelte sein Geist auf eigensinnigen Pfaden
davon".
Und das ist gut so für jene Leser, die mit der verdrehten Komik, der Ironie,
den pointierten Darstellungen von Personen (wie der "Astrologin" des
Dorfes) ihre Freude finden. Diese Tiefe, die Schulz jeder seiner Figuren fast
spielerisch verleiht und dann in durchaus verdrehter, komischer Weise und
dennoch präzise aufs Papier bringt, das ist schon eine besonders Talent des
Autors und funktioniert auch in diesem Roman hervorragend.
Fazit
Und lohnt sich auf für den sonst nicht so "Komik-Krimi" affinen
Leser, da Schulz seinen Wortwitz einerseits hervorragend in ein flüssiges Tempo
zu setzen versteht und andererseits hier ein Thema (mit dem nötigen Ernst an
den richtigen Stellen) zur Sprache bringt, dass eine ganze Generation von
Menschen in Deutschland belastet hat und noch belastet. Die traumatischen
Erlebnisse der Kriegskindergeneration.
Eine sehr empfehlenswerte Lektüre.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 25. November 2016 2016-11-25 15:34:39