"Ich hätte in Frieden leben können. Aber meine Feinde brachten mir den
Krieg." Mit diesen einprägsamen Worten beginnt Pierce Browns sehr
lesenswertes Erstlingswerk, das nun auch in deutscher Übersetzung vorliegt. In
Browns erstem Band der "Red Rising"-Trilogie (der zweite
englischsprachige Band "Golden Son" erscheint im Januar 2015) hat die
Menschheit in der Zukunft das Sonnensystem kolonisiert. Die Gesellschaft ist in
Kasten unterteilt, denen verschiedene Farben zugeordnet sind, mit der Masse der
Arbeiter ("die Roten") am Ende und der Führungsschicht der
"Goldenen" an der Spitze. Unter der Oberfläche des Mars arbeiten
Millionen "Rote" und bauen Rohstoffe ab. Sie ertragen die harten
Lebensbedingungen, denn ihr Ziel soll der gesamten Menschheit dienen: Den Mars
für menschliches Leben umzuwandeln und die übervölkerte Erde zu entlasten.
Der Protagonist dieses Buches ist ein "Roter" namens Darrow, der zu
Beginn etwa 16 Jahre alt ist. Als er erleben muss, wie seine geliebte Ehefrau
(die Lebenserwartung der "Roten" ist aufgrund der harten
Arbeitsbedingungen sehr gering) aufgrund eines harmlosen Protestes hingerichtet
wird, zerbricht er. Er will sich ebenfalls das Leben nehmen, doch da wird Darrow
von einer Gruppe Rebellen gerettet, die ihm eine niederschmetternde Wahrheit
enthüllen: Die Marsoberfläche ist längst durch Terraforming verändert,
hunderte Städte existieren dort in blühenden Landschaften. Die
"Goldenen" leben in einem üppigen Luxus und vergnügen sich auf
Kosten der anderen Kasten.
Darrow erfährt, dass die Menschheit bereits vor Jahrhunderten zu den anderen
Planeten und Monden des eigenen Sonnensystems aufgebrochen ist. Der Mond (Luna),
der Mars und die Venus sowie andere Monde wurden kolonisiert und terraformt. In
dieser Zeit bildeten sich bei den Kolonisten die "Farbkasten" aus, mit
den reichen Goldenen an der Spitze. Dann jedoch rebellierten die Kolonien gegen
die Nationen der Erde - und gewannen. Die Nationen und Konföderationen der
alten Erde wurden zerschlagen, seitdem beherrschen die "Goldenen" die
Weltengesellschaft. Das Leitmotiv der inzwischen genetisch stark veränderten
"Goldenen" lautet, dass nur der Stärkere überlebt. Die Demokratien
der alten Erde werden als "Krebsgeschwüre" bezeichnet und die
Gleichwertigkeit des menschlichen Lebens als "noble Lüge" verachtet.
Das große Vorbild hingegen ist das römische Imperium.
Die Rebellen (die "Söhne von Ares") wissen, dass offener Widerstand
mühelos vom Militär niedergeschlagen würde; ein ganzer Mond wurde bereits vor
Jahrzehnten aufgrund eines Aufstands atomisiert. Ihr Plan ist daher subtiler.
Darrow wird in einem langen und schmerzhaften genetischen Prozess in einen
"Goldenen" verwandelt, physisch und geistig stark verändert sowie mit
einer neuen Identität versehen. Bald darauf wird er an der Akademie des Mars
aufgenommen, wo er aufsteigen soll, um das System zu infiltrieren.
Am Institut muss er bald erleben, wie rücksichtslos und brutal selbst die
"Goldenen" untereinander sein können. Die Hälfte der Studenten
werden bereits am ersten Tag durch Duelle untereinander getötet, danach beginnt
das "Spiel", wo mehrere Gruppen in einem künstlich terraformten
Marstal gegeneinander antreten, bis nur noch eine Gruppe mit dem Primus an der
Spitze übrig ist. Es eröffnet sich eine völlig fremde Welt für Darrow, der
von den Machtspielen und dem amoralischen Verhalten der "Goldenen"
abgestoßen ist, aber auch erkennen muss, dass viele von ihnen nur ein Produkt
der Gesellschaft sind und durchaus zu Mitgefühl fähig sind. Er freundet sich
mit einigen an, lacht mit ihnen, genießt bald auch Respekt - doch im Inneren
ist Darrow von Rache fast zerfressen und hat nur ein Ziel: Den Umsturz des
dekadenten und von politischen Machtkämpfen geprägten Systems. Doch der Weg
dorthin wird auch Darrow verändern.
Fazit
Browns erfolgreicher erster Roman ist absolut gelungen. Die erdachte Welt ist
interessant und gewaltig, die Charaktere recht unterschiedlich. Das Grundschema
ist zwar nicht neu: Ein junger Mann wird erwachsen, mit Problemen konfrontiert
und hat ein Ziel fest im Blick. Das alles schildert Brown aber plastisch und
spannend, mit einigen Wendungen. Immer wieder blitzt zudem in der teils sehr
harten Handlung Humor auf. Es ist ein düsterer Roman, der aber getragen wird
von moralischen Fragen, die eher subtil wirken. Man darf auf die beiden
Folgebände gespannt sein. Ein nicht nur für Leser von Sci-Fi-Literatur
empfehlenswertes Buch, das nicht ohne zeitgenössische Gesellschaftskritik ist.
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
[Profil]
veröffentlicht am 20. November 2014 2014-11-20 15:35:33