Zum richtigen Zeitpunkt
Genau zum rechten Moment erscheint dies, zwar schmale, dennoch aber sehr
gehaltvolle Werk der beiden Autoren. Denn "Medi-Apps",
"Self-Logging", die Suche im Internet nicht nur nach diagnostischen
Hinweisen, sondern nach tatsächlichem Rat und Hilfe nimmt rasant an Fahrt auf.
Allein die Zahl der Foren, in denen auch persönliche, seelische Probleme
angefragt und von Teilnehmern beantwortet, diskutiert werden, die Vielzahl an
Lösungsvorschlägen, die dort zu finden sind (und deren Kompetenz eben nicht
wirklich bewertbar ist), all dies zeigt auf, dass eine Verlagerung auch von
psychotherapeutischer Intervention und Beratung, zumindest in gewissen,
vertretbaren Maß, "Online gehen wird". Was aber wäre ein
vertretbares Maß? Ist es überhaupt möglich, in eher anonymer Weise
Intervention und Beratung durchzuführen? Bis wohin könnte das verantwortlich
gehen? Wie soll das technisch funktionieren?
Eine der Ideen des Werkes, das "Blended Counselling", die Variationen
und "Formatwechsel" zwischen persönlichem Gespräch und
online-Ergänzungen weisen hier in eine anregende, durchaus konstruktive
Richtung, in der die "klassische" Form der Beratung um digitale
Möglichkeiten erweitert, ergänzt, gestützt werden kann. Wobei die Autoren
dabei nicht nur theoretischen Überlegungen folgen, sondern durchaus
Praxiserfahrung in diesem Bereich heranführen und am Ende des Werkes einen sehr
eingängigen und verständlichen "Onthemoveonline" Bericht
zusammenfassen, in dem der Leser reflektiert Abläufe aufnehmen und einer
persönlichen Bewertung dann zuführen kann.
Wobei der "Suche nach Schlüsselwörtern im Text des (jeweiligen)
Klienten" eine ebenso entscheidende Bedeutung zukommt (um indirekten Zugang
zum Klienten zu erhalten) wie der klaren Grundthese für die Haltung des
Online-Beraters, alles über die gesetzten und vom Klienten benannten Themen
herausgehende "immer so zu formulieren", das Wahlmöglichen für den
Klienten entstehen. Schritt für Schritt nehmen die Autoren somit zum einen die
Fakten wahr, "Das Internet verändert die Welt" und legen Rahmen- und
Rahmungsmöglichkeiten für eine therapeutisch-beratende Arbeit in diesem dann
völlig anders als gewohnten Setting mit seiner speziellen Dynamik und den
ebenso speziellen Kommunikationsformen dar.
"Etwas Intimes und höchst Persönliches wird nicht einem zuhörenden
Menschen sondern einem Medium gegenüber offenbart".
Ebenso Fakt ist (seit 20 Jahren gibt es Online-Beratungsangebote", dass
dies möglich ist, aber nicht in gleicher Weise, wie im klassischen Setting und
nicht "irgendwie", sondern im Wissen um die Grenzen, aber auch die
Möglichkeiten eines solchen "medialen" Settings. Mit den Vorteilen
der schnellen Kontaktaufnahme auch über weite Entfernungen und der
Notwendigkeit auch der präziseren Formulierungen, die durch die
Verschriftlichung der Kommunikation sich vollzieht. Vielleicht sogar geht der
"Vorteil" soweit, dass es manchen Menschen gerade durch die mediale
Distanz überhaupt erst gelingt, über persönliche Probleme zu
"reden"?
Fazit
Alles in allem eine sehr sorgfältige Betrachtung des "neuen"
therapeutischen Instruments der Online-Beratung und Intervention, die den Status
quo auf den Punkt zusammenfasst und die Möglichkeiten der Ergänzung und sogar
Verzahnung von direkter, persönlicher und medialer Beratung theoretisch und
praktisch verständlich aufarbeitet.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 10. November 2016 2016-11-10 15:03:36