Untertitelt als der große Roman der Bundesrepublik Deutschland schickt sich
Peter Pranges neuer Roman tatsächlich an, ein Roman von umwerfender Bedeutung
zu werden. Es ist ein Roman des geteilten und wiedervereinten Deutschlands. Was
eignet sich besser dafür, als die Geschichte ehemals beider deutscher Staaten
anhand einer Familie und ihrer Mitglieder zu schildern.
So lernt der Leser zu Beginn die Familie Wolf im Jahre 1948 kurz vor der
Währungsreform kennen, Christel und Eduard sowie ihre Töchter Ruth, Ulla und
Gundel. Es steine Unternehmerfamilie im sauerländischen Altena (der Heimatstadt
des Schriftstellers). Ruth, die älteste Tochter war als Krankenschwester an der
Front und hatte ihren Ehemann, einen Bauern aus der Uckermark, von dort
mitgebracht. Ihre Eltern sind genauso wenig mit Ruths Ehe glücklich und
zufrieden, wie sie es mit ihrem Dickschädel waren, unbedingt dem Ruf des
Führers an die Front folgen zu müssen. Ruth wurde vom Vater verstoßen und
nimmt nicht am Leben der Familie teil. Ihre jüngeren Schwestern Ulla und Gundel
machen gerade ihre ersten Erfahrungen mit jungen Männern. Sie versuchen sich im
Leben zu orientieren und ihren Weg zu finden. Ulla möchte unbedingt Medizin in
Tübingen studieren. Die vierzig D-Mark, die sie mit der Währungsreform
erhält, gibt sie für die Studiengebühren und die Einschreibung an der
Universität aus. Doch wie das Leben auch in der Realität den Menschen nicht
immer ihre Wünsche erfüllt, so erfahren auch die Figuren dieses Romans ein
bewegtes Auf und Ab in ihrem Leben.
Zwar habe ich schon verschiedene Familienromane gelesen, doch keines kam mit dem
von ihm erzeugten Eindruck so dicht an Thomas Manns "Buddenbrooks"
heran. In all seinen Dimensionen, Zeitepochen und Familienschicksalen erinnert
es mich immer wieder an diesen Klassier, der aus demselben Verlag stammt.
Natürlich mit dem wesentlichen Unterschied einer gänzlich anderen Zeitepoche.
Insgesamt werden die Generationen der Familie Wolf im Zeitraum 1948 bis 2002
dargestellt. Die Unterteilung in verschiedene Bücher und Teile hilft dabei, die
jeweiligen historischen Ereignisse einzuordnen. Das Wachsen der Kinder und Enkel
geschieht manchmal in "Riesenschritten", tut der Handlung aber keinen
Abbruch. Wegen der verschiedenen Familienmitglieder bleibt es immer wieder
spannend, zu sehen, wie sie sich in all den Jahren weiterentwickeln.
Überraschungen sind natürlich gewollt, aber in welche Richtung sich etwas
gestalten kann, erzeugt immer wieder ein gewisses Kribbeln beim Lesen. Neben der
Familie Wolf spielen weitere Figuren nicht ganz unwichtige Nebenrollen, an denen
der Leser ganz starkes Interesse aufbauen kann. Sowohl Alt-Nazi als auch
Jung-Kommunist treffen auf der Bühne und beim Schützenfest aufeinander. Um den
Spannungbogen gar nicht erst abreißen zu lassen, hat Prange viele Kapitelenden
mit kleinen Cliffhangern versehen. der Leser wird gezwungen weiterzulesen, um zu
erfahren, wie eine Situation aufgelöst wird.
Peter Prange sagt im Nachwort, dass dies sein persönlichster Roman ist, den er
je geschrieben hat. Zwar ist es ein fiktiver Roman, aber es werden reale
Begebenheiten aus dem Leben des Schriftstellers bewusst integriert. Und seien es
nur die Namen der Nebenfiguren. So spielen sein Vater und er selbst kleine
Nebenrollen, wie auch Figuren aus seinem Bestseller "Das
Bernstein-Amulett". Ich habe mich gefreut, wieder von Barbara Reichenbach
und Elisabeth Markwitz zu lesen, waren es doch Figuren, die mich in all den
Jahren immer wieder zu Büchern von Peter Prange haben greifen lassen.
"Unsere wunderbaren Jahre" ist ein wunderbarer Roman, welcher mit
vielen Einzelschicksalen die Geschichte Deutschlands zur Zeit der Trennung
beleuchtet. Zeitlich schließt er beinahe an "Das Bernstein-Amulett"
an und ist weit mehr als ein würdiger Nachfolger des Bestsellers. Dieser
Romanstoff wird Filmproduzenten herausfordern, ihn zu verfilmen und mindestens
in einem Mehrteiler auf den Fernsehschirm zu bringen.
Fazit
Die Teilung und die Wiedervereinigung Deutschland anhand einer einzigen Familie
zu schildern, ist ein Muss für jeden ehrlich interessierten Leser. Geschichte
als spannende Unterhaltung erlebbar zu machen, kann kaum besser gelingen.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 05. November 2016 2016-11-05 10:24:03