Auge in Auge mit Legenden der Musik
Es ist nicht "Musik" im eigentlichen Wortsinne, der sich der
Betrachter dieses aussagekräftigen Bildbandes gegenübersieht, es ist Musik in
den Gesichtern von Musikern. Es sind die wegweisenden Protagonisten, die Richard
Ehrlich fotografisch "hörend" treffend portraitiert und zu denen Joel
Selvin treffende (englische!) Anmerkungen hinzufügt. Wobei es mit am
spannendsten im Buch ist, die zerklüfteten Gesichter der "Alt-Stars"
nah und weitgehend bloß vor sich zu sehen. Die "Front-Gesichter", die
Bände zu erzählen wissen über ihr inneres Empfinden der Musik. Kontemplation
ist dabei der passende Ausdruck zur Beschreibung der Gesichtsausdrücke.
Ein nach innen gekehrt Sein im Blick, in der ganzen Haltung. So wie bei Ringo
Starr, der sich im Moment der Fotografien innerlich seinem Drum Spiel bei
"Come totgehet" zugewendet hat. Oder Graham Nash mit seinem feinen
Lächeln, der inneren Musik horchend. Gut und gelungen ist es, das jeweils zu
den Portraits erläutert wird, welchem konkreten Song die Musiker gerade
lauschen, auf welche Texte, welche Noten ihre innere Resonanz sich abspielt. Ein
bis vier Lieder sollten die 41 im Buch versammelten Musiker sich für die
fotografischen Sitzungen wählen. Das dabei Roger Daltray sich Edith Piaffier
zuwendete, ist ebenso überraschend, wie Herb Alperts Nähe zu "Nessum
Dorma".
Tränen bei Rosanna Cash und Michael Bublé vor Ergriffenheit, ein verzücktes,
entrücktes Lächeln mit geschlossenen Augen bei Lani Hall, das
"Mit-Dirigieren" durch Mickey Hart mit den geheimnisvollen
Brillengläsern, die in den kleineren Aufnahmen (bei jedem der Künstler
ergänzen drei kleinformatige Portraitaufnahmen je das "Titelbild")
Abgesetzt wird. Bis hin zur erkennbaren "Genuss-Freude" bei Joe Walsh.
Es sind intime Aufnahme von großer Natürlichkeit, die Ehrlicher in diesem
fünf-Jahres Projekt gesammelt hat, Aufnahmen, die persönliche Momente des
"Hörens" einfangen, während die meisten der Musiker ansonsten dem
breiten Publikum in der aktiven Rolle des Gestalters bekannt sind. Bilder der
Stille, so kann man es auch benennen. Der Konzentration und Resonanz. Auch wenn
hier und "mitgespielt" wird, wie Gerald Wilson, dessen Hände die
imaginären Klaviertasten "bedienen" zum Blues oder Verdine White, der
die Musik innerlich wie äußerlich erkennbar auf einem "Air-Baß"
begleitet.
Fazit
Ein interessantes, intensives Experiment, das dem Leser einen ganz anderen Blick
auf teils weltbekannte Persönlichkeiten der Musik gewährt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 25. Oktober 2016 2016-10-25 15:22:08