In Teilen auch verwirrend
Einen Bezug zu Blumenbergs Werk "Die Lesbarkeit der Welt" stellt
Christian Schön schon zu Anfang seiner Darlegungen her und stellt damit auch
die Grundfrage in den Raum, um die sich dieses Buch dreht. "Wie schaffen
wir es, innerhalb einer sehr begrenzten Lebenszeit die Lesbarkeit einer Welt zu
erhalten, die immer komplizierter wird und in der sich dem Menschen immer
entferntere Lebensräume erschließen"? Nur, indem die Metaphern, die
Symbole und Zeichen in ihrer Deutung klar bleiben.
Was ein fast unmögliches Anliegen ist ob der Vielzahl der Zeichen und deren
wechselhafter Bedeutungen und was auch in dieser sehr kompakten Form, in der
Schön der "Welt der Zeichen" nachgeht, nicht einfach zu verstehen
ist. Mehrfaches, konzentriertes Lesen ist notwendig, um den teils komplexen
Sätzen und Sachverhalten einigermaßen folgen zu können. Auch wenn durchgehend
Illustrationen vorliegen und regelmäßig Kerninhalte in grafisch abgesetzter
Form zusammengefasst werden, schon beim Überblick der Zeichenmodelle
(monadisch, dynadisch, triadisch und Modelle mit mehr als drei Elementen) ist es
nicht ohne Mühe, den abstrakten Definitionen einigermaßen mit Verständnis zu
folgen.
Klar wird, dass neben der "Handlung" oder der "Nutzung eines
Zeichens" (z.B. der Händedruck) es ein vielfaches, meist unbewusst
ablaufendes Erleben des "Empfängers" benötigt, um das jeweilige
Zeichen im Kontext so zu deuten, dass die Absichten des "Senders" klar
erfasst werden. Bis hin zu ganzen "Codes", die "Summe aller
Regeln", die das Gesamte des Ausdrucks ausmacht und die der Empfänger
kennen muss, um die darin enthaltenen, verschiedenen sprachlichen und bildlichen
(z.B. Dresscode) Zeichen zu verstehen. Um die Kernbedeutung von Zeichen zu
erfassen, die "Vermittlung von Bedeutungen". Daher ist es angemessen,
wenn auch, wie erwähnt, teilweise nicht einfach zu verstehen und hier und da
zunächst verwirrend, dass Schön tief in den Bereich der Sprachtheorie und
Kommunikationstheorie vordringt und so, u.a., den Weg "vom Laut zur
Sprache" ausführlich erläutert.
Allerdings bleibt es im Buch in Teilen nicht aus, dass der Eindruck eines
"hin- und her Springens" entsteht. Von der Theorie der Lautbildung zu
den Streifen des Zebras und "Zeichnungen" in der Natur, von Teilen der
Esskultur (das Zeichen des Legens des Bestecks) bis hin zum Eifelturm als Symbol
für Fortschritt, aber auch Wahrzeichen einer Stadt oder hin zu "Zeichen
für die Ohren" wie das "musikalische Leitmotiv". So ziemlich
alles fällt unter den Begriff "Zeichen" und das in sehr verschiedenen
Formen und Verständnissen. Gut, dass Schön das Buch thematisch sehr
verständlich strukturiert um in der Vielzahl der Felder der Zeichen
(körperliche, kulturelle, natürliche, künstliche, Bilder, rätselhafte etc.)
am Ende das Eigentliche seiner Betrachtungen dann sehr verständlich
zusammenzufassen.
Wie Zeichen und Zeichenprozesse letztendlich maßgeblich die Kultur und die
kulturelle Identität einer Gesellschaft ausdrücken und bestimmen. Als Summe
ihrer Artefakte, ihrer (auch stark zeichenhaften" Grundverfassungen wie
Religion und Gesetze und ebenso als Summe gemeinsamer "mentaler
Vorstellungen", die sich ebenfalls in vielfachen Zeichen ausdrücken. So
ergibt sich ein Überblick über die Semiotik in der chronologischen Entstehung
und den vielfachen Inhalten, die nicht einfach, teilweise abstrakt und auch sehr
trocken ein Gesamtbild der kulturprägenden Bedeutung von Zeichen dem Leser zur
Verfügung stellt. Und, zu Recht, darauf verweist, wie hoch die Gefahr der
"Verwischung von Bedeutungen" inzwischen geworden ist und damit die
inneren Klammern, die Gemeinschaften zusammenhalten unter gemeinsamen Zeichen
und eines gemeinsamen Verständnisses derselben in Gefahr bringen.
Fazit
Eine durchaus interessante Lektüre, die allerdings ein Vorinteresse am Thema
benötigt, um sich in diesem kompakten Überblick am Ende gut zurecht zu finden.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 10. Oktober 2016 2016-10-10 15:37:27