Dieser Roman ist das krasse Gegenteil zu den unzähligen Tatort-Filmen, die
allzu sanft daherkommen, in denen die Polizei alle Gesetze einhält und die
Täter in Watte packt, lieber die eigene Waffe auf den Boden legt, wenn eine auf
sie gerichtet wird. Dabei hat es solche Typen wie Dave Robicheaux, einen
Protagonisten des amerikanischen Schriftstellers James Lee Burke, auch schon im
deutschen Fernsehen gegeben. Beide Male unter anderem gespielt von Jörg
Schüttauf: als Thomas Becker in "Der Fahnder" sowie als Fritz Dellwo
im Tatort aus Frankfurt mit Andrea Sawatzki.
Doch worum geht es? Ruben Rubeck ist Ex-Soldat, war viele Jahre im Kosovo und
anschließend zur Polizei gegangen. Er ist alleinlebend in der Frankfurter City,
die auch rund um den Hauptbahnhof sein Arbeitsplatz ist. "Ich hab's einfach
gerne nah zur Arbeit." Außerdem ist er Alkoholiker, Sex und etwas
Geselligkeit kauft er sich bei Ina, einer Prostituierten. Die Abende verbringt
er meist in einer Kneipe um die Ecke. Als er diese eines Tages verlässt, gerät
er in eine Schießerei. Entgegen der Dienstanweisung, Waffen in der Freizeit
nicht bei sich zu tragen, hatte er seinen SIG im Holster, rettet einem jungen
Pärchen das Leben, erschießt einen der Ganoven und verletzt einen zweiten
schwer. Alles in allem kommt er gut aus dieser Sache heraus. Wie sich
herausstellt, handelte es sich wohl um eine Schießerei zwischen zwei
rivalisierenden osteuropäischen Banden, Rubeck ist für kurze Zeit der Held.
Dann tritt ein Mitarbeiter des LKA auf dem Plan. Er will Rubeck anheuern, den
Mann, den dieser angeschossen hat und der noch im Krankenhaus liegt, undercover
dingfest zu machen. Es handelt sich um eine Milieugröße aus Hamburg. Rubeck
kämpft mit sich, weil er sich nicht gerne von einem anderen etwas sagen lässt.
Aber dann nimmt das Unheil seinen Lauf.
Gregor Weber hat bestimmt viele Vorlagen aus Romanen und Filmen in seinem Kopf
gehabt, die zu solch einem heruntergekommenen und dennoch sympathischen
Protagonisten führten. Aber er hat vor allem den Mut gehabt, einen solchen Plot
in Deutschland anzusiedeln. Mir hatte ein befreundeter Schriftsteller mal
gesagt: Man müsste in Amerika leben, da könnte man Ballerszenen schreiben,
Hubschrauber abschießen und dergleichen. Das ist in Deutschland alles gar nicht
machbar, weil es unglaubwürdig wäre." Weber zeigt, dass es doch geht. Und
das auch Schießszenen auf offener Straße glaubwürdig gestaltet werden
können.
Für den Aufbau des Romans wurden zwei verschiedene Handlungsabläufe
spannungsvoll montiert. In einer Rückblende erlebt der Leser den Einsatz eines
Spezialkommandos im Kosovo bei der Festnahme eines Kriegsverbrechers. In der
aktuellen Handlung erfolgt die Jagd nach einem osteuropäischen Gangsterboss.
Die Rückblende könnte als separate Geschichte auch komplett vorher gelesen
werden. Sie sorgt aber durch die Montage zwischen den anderen Kapiteln für
besondere Spannung. Die Spannung insgesamt schafft der Autor einerseits durch
actionreiche Szenen, durch viele Cliffhänger am Ende der Kapitel, durch innere
Widersprüche und Konflikte in den Gedanken des Protagonisten und durch immer
wieder neue Wendungen im Verhalten der Figuren. Die wenigen, verlässlichen
Ausnahmen sind eher Nebenfiguren. Schließlich bleibt dem Leser immer das
Bangen, ob es Rubeck mit seinem Verhalten nicht doch irgendwie an den Kragen
geht.
Fazit
Hart, dreckig, Frankfurter Bahnhofsviertel, actiongeladen hat Gregor Weber
seinen Protagonisten voll mit Emotionen gespickt und ihm einen interessanten
Lebenslauf verpasst, der nicht nur von der Campingplatzidylle des Soldatsseins
berichtet. Ein Thriller für alle, die es hart mögen.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 19. Oktober 2016 2016-10-19 21:24:17