Spannender und passender Abschluss der Trilogie
Wenn da dieser Schmerz an der Seite in Magenhöhe nicht wäre, Bill Hodges
würde ja gar nichts sagen, nichts beklagen an seinem aktuellen Leben. In
Ruhestand gegangen, mit der Weggefährtin Holly, die damals "Mr,
Mercedes" mit einer mit Stahlkugeln gefüllten Socke so ziemlich endgültig
außer Gefacht gesetzt hatte (dauerhaft zu "Gemüse" degradiert,
könnte man auch sagen, wenn man die Hirnverletzungen des Mörders Brandy
Hartsfield näher beleuchtet) Einen privaten Ermittlerdienst auf den Weg
gebracht. Es läuft. Wenn auch ruhig. Wie erwähnt, bis auf diese Schmerzen.
Um die sich Hodges aber gerade nicht kümmern kann, denn gerade, als der Arzt
ihn zur Auswertung verschiedener Tests aufruft, steckt sein Alter Partner Pete
ihm ein ungewöhnliches Verbrechen. Doppel Suizid. Und das von mindestens einer
Frau, die damals vom alten Mercedes gezielt mit überrollt worden war. Was
verständlich wäre, im Übrigen, denn viel an echtem Leben war dieser Frau und
pflegenden Mutter nicht mehr möglich gewesen. Doch das wird nicht der einzige
Selbstmord bleiben. Und warum findet sich bei jedem der Betroffenen eine alte
Spielkonsole, die schon lange vom Markt verschwunden war? Und warum sind die
alle so versessen darauf, sich auf diesem "Zappit" oft nur die Demo
eines Spieles, "Fisher Hole" anzusehen?
Je tiefer Hodges, nicht zuletzt getrieben auch von Holly, in diese für ihn
unbekannte Technik eintaucht und als die beiden eine dazugehörige Homepage
entdecken und als Jerome's Tochter, des Dritten im Bund von damals, sich vor ein
Auto zu werfen gedenkt, wird das Undenkbare denkbar. Kann es sein, dass das
durch und durch Böse Stück Fleisch in Zimmer 217 der Klinik doch noch zum
Denken fähig ist? Auf eine Art und Weise "wieder erweckt", die so
nicht geplant war, dennoch aber Früchte getragen hat? Dass Dr. Babineau, der
behandelnde Arzt, da was in Gang gesetzt hat, was er eigentlich gar nicht
gewollt hatte? Das sind erst Fragen, die noch an der Oberfläche kratzen. Denn
es ist viel schlimmer, als Hodges und Holly Gedacht hätten. Und wird noch
schlimmer werden. Dann eines ist Hartsfield grundlegend auf jeden Fall. Tief auf
Rache aus.
Stephen King schreibt, wie gewohnt, fließend, intensiv, erzeugt dichte
Atmosphären und behält dennoch eine Leichtigkeit, die das Lesen zum Vergnügen
macht. Und, ebenso wie immer, lässt er sich Zeit, gibt dem Aufbau der Spannung
viel Raum. Die er nutzt, um tiefer und tiefer in die Persönlichkeiten der
Beteiligtene einzutauchen, auch solche zu benennen und emotional mit dem Leser
zu verweben, die eher Nebenrollen spielen, die fast gar nicht weiter vorkommen,
wie die neue Partnerin seines alten Freundes Pete im Polizeidienst.
Denn am Ende wird sich zeigen, wie alles mit allem zusammenhängt, wie
Nebensächlichkeiten, hier ein "nicht-Ernstnehmen" des Falles durch
die neue Partnerin von Steve erst die Türen für die weitere Entwicklung
"des Plans" öffnet. Wobei im Gesamten die Hommage an Thomas Harris
"Lecter" erkennbar als Motiv im Raum steht. Gefangen, gesichert,
dennoch in der Lage, zu manipulieren und die Gedanken von änderten zu lenken,
das verbindet Brady Hartsfield ohne Weiteres mit Hannibal Lecter.
"Wir sind dazu geschaffen, zu beharren. Und dadurch finden wir heraus, wer
wir sind".
Ein Wahlspruch, der für alle Beteiligten gilt und bei dem sich erst im
spannenden, breiten Finale zeigen wird, wessen Beharrungskräfte stärker sein
werden. Um, ganz am Ende der Geschichte, zu erleben, dass letztlich alle
Beharrungskräfte nicht ausreichen werden. Aber das ist dann schon ein anderer
Gedanke, den King dem Leser unverblümt und melancholisch mit auf den Weg gibt.
Fazit
Ein hervorragend geschriebener, leicht und flüssig zu lesender, spannender
Abschluß (und wirklicher Abschluss) der Trilogie um. Bill Hodges Kampf gegen
"Mr. Mercedes", Brady Hartsfield. In dem, wie schon lange bei King,
nicht mehr übernatürlicher Horror die Regie führt, sondern filigrane,
Realitätsnähe Verflechtungen von Figuren und Ereignissen ein in sich passendes
Ganzes ergeben werden.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 26. September 2016 2016-09-26 14:41:26