Was Menschen in ihrer Kindheit und Jugend erleben, prägt sie oft für ihr
restliches Leben. Prinz Jorg von Ankrath ist diesbezüglich keine Ausnahme. Der
"Prinz der Dornen" (der engl. Originaltitel lautet "Prince of
Thorns") hatte eine liebende Mutter und einen geliebten Bruder, doch Jorg
musste ihre Ermordung ansehen, während er selbst schwer verletzt in einem
Dornenstrauch versteckt lag. Sein Vater verzichtete auf jede Vergeltung, nahm
sich eine neue Frau und verstieß Jorg. Diesen treibt nun nur noch Rache an.
Jorg ist zwar erst 14 Jahre alt, aber bereits ein erfahrener Killer,
charismatisch und überaus intelligent. Mit seiner Bande von Mördern und
Söldnern sowie begleitet von seinem treuen Leibwächter Makin, durchstreift er
eine düstere und brutale postapokalyptische Welt.
Diese Welt ist (was dem Leser nach und nach bewusst wird) offensichtlich die
unsere, die aber von einer furchtbaren Katastrophe heimgesucht worden ist. Was
genau der "Tag der tausend Sonnen" war, wird nicht ganz klar, aber das
Ereignis führte offenbar zum Untergang der modernen Welt und zur Entstehung
einer neo-feudalen Gesellschaft. Jorg kennt und liest etwa Platon und Plutarch,
man weiß aber nicht mehr, was für Funktionen bestimmte Gebäude hatten oder
was ein Revolver ist, während ein hochentwickeltes Computerprogramm mit
Hologramm Jorg wie ein Geist aus der fernen Vergangenheit der sogenannten
"Erbauer" erscheint. Gleichzeitig existieren Elemente, die man im
weitesten Sinne als eine Art "Magie" ansehen kann. Nun existieren
mehrere kleinere Staaten, die einstmals in einem Kaiserreich vereint waren, das
aber bereits vor Jorgs Geburt untergegangen ist.
Jorg kennt kaum Skrupel, ist schnell mit dem Schwert und jederzeit bereit, für
sein Endziel brutal zu töten, wenn es notwendig ist. Gleichzeitig ist er ein
traumatisierter Jugendlicher, der frühzeitig in einer Welt erwachsen werden
musste, in der das Recht des Stärkeren dominiert. Der Leser betrachtet die
Handlung aus Jorgs Perspektive (mit eingestreuten Rückblenden), der sich auch
keinerlei Illusionen hingibt, zu was er nach der Ermordung seiner Mutter und
seines Bruders geworden ist. Jorg ist ein Anti-Held, der furchtbare Dinge
begeht, aber nicht weil er sich daran erfreut, sondern weil er ein Endziel
verfolgt, wofür ihm fast jedes Mittel recht ist. Er will aber nicht nur Rache,
sondern strebt darüber hinaus noch ein weitaus ehrgeizigeres Ziel an. Doch
gleichzeitig rühren sich auch andere Kräfte, die dies unter allen Umständen
verhindern wollen.
Fazit
Lawrence hat mit seiner Trilogie um den mörderischen Prinzen Jorg für einiges
Aufsehen gesorgt und einen beachtlichen Erfolg erzielt. Im Englischen ist die
Trilogie abgeschlossen (mit den Folgebänden "King of Thorns" und
"Emperor of Thorns"), im Deutschen ist der Nachfolgeband "König
der Dunkelheit" bereits erschienen, der letzte Band erscheint
demnächst.
Lawrence hat eine kalte, brutale, aber auch sehr interessante Welt erschaffen.
Jorg ist kein strahlender Held, sondern könnte durchaus als der typische Gegner
in einer klassischen Heldengeschichte fungieren. Doch Jorg wurde durch die
tragischen Umstände seiner Kindheit zu dem Mann, der er nun ist. Er ist
gleichzeitig intelligent, keineswegs gefühllos, redegewandt und verfügt über
schwarzen Humor, der immer wieder auflockernd wirkt. Lawrence schildert die
Geschichte spannend und anschaulich. Wer einmal eine
"Anti-Heldengeschichte" lesen möchte, sollte Lawrence eine Chance
geben - es lohnt sich auf jeden Fall.
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
[Profil]
veröffentlicht am 24. April 2014 2014-04-24 17:07:34